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Abgehauen

Abgehauen

Titel: Abgehauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Krug
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mitgenommen. Es lag in der Luft, daß der mal die Kurve kratzen muß. Ich hatte irgendwie aus Treue und aus Anständigkeit unterschrieben. Ich kam da hoch zu seinen Weibern, die saßen alle da und heulten und hielten mir den Zettel hin. Da habe ich dann unterschrieben. Die heulten dermaßen, daß ich unterschrieben habe. Er war nun mal mein Freund. Die Genossen weiter oben erzählen sogar, ich hätte ihm Schauspielunterricht gegeben. Quatsch. Vor ein paar Wochen war ich in Amsterdam, dort habe ich mir seine Vorstellung angesehen und ihm noch ein paar Tips gegeben. Schade, daß du gehst, Alter, du bist irgendwie ein Bestandteil. Schon das mit dem kleinen Cohrs hat mich angegriffen. Das ist eine hoffnungslose Angelegenheit, nicht nur für dich. Du bist unvernünftig. Klar kriegst du ein Unterkommen, wirst auch für deine Kinder sorgen können. Aber du kannst da nicht glücklich werden. Du hast keine Chance, die sprechen eine andere Sprache. Hier bist du eine Ausnahme, dort bist du ein Waisenknabe. Freilich, da leben auch Menschen, so ist es nicht. Aber der Biermann kommt eher zurecht. Ich wollte wissen, ob alles beim alten geblieben ist und habe gleich im Januar eine Reise beantragt, vier Wochen später hatte ich sie. Als ich in Amsterdam ankam, war Biermann da. Sein handwerkliches Können ist so groß nun auch wieder nicht. Ich sah ihn zum erstenmal im Konzertsaal. Hinreißend. So ‘n kleiner, wieselflinker Kerl, sieht aus wie die ganze DDR. Er hat ja ein paar hübsche Nummern, aber damit ist die Länge des Programms nicht zu decken. Da denke ich nicht mehr an die Politik, sondern an die Qualität. Trotzdem, der kommt durch. Aber schon bei der Eva-Maria Hagen sträuben sich mir die Haare. Was will die da? Biermann hat seine internationalen Beziehungen und seine linken Grüppchen, dann auch seine schöne sentimentale, ehrliche Art. Das alles trifft für dich nicht zu. Du kriegst vielleicht einen Job im Fernsehen, das ist eine Mafia, viel schlimmer, als man sich das hier vorstellen kann. Freilich, ich war nahe dran, auch auszuscheren. Ich werde beruflich seit sieben Jahren hier geschnitten, auch im Theater, nicht weil ich eine schwierige Type bin, nein, das ergibt sich alles aus der Gesamtsituation: Langeweile, Pfuscherei, Betrug und Korruption. Mir hat das Fernsehen den Vertrag gebrochen, den Prozeß habe ich gewonnen, sie haben mir ganze 1000 Mark gezahlt. Da fragst du dich doch, wie halte ich es in diesem Land aus, wo ich eine Frau habe, die hier nicht leben kann, die hier eingeht. Wer kann denn hier leben? Das klingt widersprüchlich, aber Widersprüche sind unser tägliches Brot. Laß mich bitte ausreden. Deshalb werden wir ja auch an Abgründe getrieben, wo wir uns fragen: Breche ich mir nun das Genick oder lasse ich es? Gehe ich oder bleibe ich? Alle hatten diese Frage für sich entschieden, noch ehe ich selbst richtig nachgedacht hatte, irgend so was Lächerliches wie: Hier gehöre ich her. Und da ist eine tiefe Wahrheit drin. Also, meine Frau unterschreibt das Ding mit, ich warne sie, weil ich das Land kenne und schon in viel schlimmeren Situationen war. Durch meine Parteizugehörigkeit und meine Art, mich zu verhalten. Es ist fast mein Hobby geworden, mich anzulegen, bis ich dann eins auf die Fresse kriege, da komme ich dann raus wie die Henne unter der Dampfwalze. Meine Frau ist auf so was gar nicht vorbereitet, aber sie unterschreibt das Ding mit ihrem holländischen Gemüt. Es ging ihr was von Freiheit und Gerechtigkeit durch den Kopf. Die Holländer sind so. Die gehen am selben Tag für die Tschechen und gegen die Israelis auf die Straße. Das ist nett und hilflos und wunderbar. Hat aber keinen Sinn. Wenn man weiß, daß das eine Welt von realen Gegensätzen ist. Gut, das wäre alles nicht so schlimm gewesen, wenn meine Frau nicht total aus den Latschen gekippt wäre. Nein, nicht ich, meine Frau, warte, das erzähle ich dir noch. Sie hat einfach die Bedrohungen nicht erwartet. Und auf einmal wollte sie nicht mehr, sie wollte einfach weg. Aber das ist mein Land. Ich gehöre nicht nur ihm, es gehört auch mir. Dir kann’s nicht so gegangen sein, weil sie dich nie rausgelassen haben. Aber mir. Als ich feststellte, daß ich zum Beispiel in Holland als Deutscher gar nicht angesehen bin, weil dort ein Deutscher ein zahlender Westdeutscher ist, weiter nichts; als ich plötzlich auf meinen DDR-Paß stolz war und fühlte, daß ich einfach … wärmer behandelt wurde – die haben sich das Ding wie ein Wunder

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