abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
zitterte.
»Geh zu Sattelmann – vielleicht findest du ja die richtigen Worte für ihn, so unter Akademikern, und Rita lässt sich währenddessen von ihrer Therapeutin betütteln.«
»Du bist abartig. Verantwortungslos. Dich interessiert überhaupt nicht, wie es Rita geht, wie sie ihr Geld wiederkriegt und überhaupt …!«
»Na endlich, Hasselbrink. Davon rede ich doch die ganze Zeit – dass es mich eigentlich überhaupt nicht interessiert.«
Vielleicht war es in den letzten Stunden wirklich nur darum gegangen, einer dämlichen Nostalgie nachzuhängen. Kann ja mal vorkommen, dass ich mich mitreißen lasse. Endlich hatte ich den Sekundenkleber in der Schublade des Teakholzsekretärs gefunden und machte mich daran, Prince Charles wieder zusammenzusetzen.
Als ich aufblickte, sah ich, dass Hasselbrink kurz davor war zu heulen. Meine Güte, hat er das immer noch nicht im Griff? Trotz Doktortitel?
»Hör mal, Kai-Uwe: Wilma und ich haben getan, was wir konnten. Wenn der Sattelmann meint, er könnte sich die Schweinereien Rita gegenüber herausnehmen, dann soll sich die Polizei damit befassen. Dafür sind die ja schließlich da. Und mir jetzt die Schuld an allem zu geben, ist nicht fair«, versuchte ich mit aller Ruhe, zu der ich noch fähig war, zu erklären.
Hasselbrink schaute auf seine Schuhe und murmelte: »Mit dir ist nicht zu reden. Du verstehst gar nichts.«
Das hatte ich mal wieder davon. Von wegen: die beste Freundin ist die, die gerade da ist. Oma Berti – wenn das dabei herauskommt, dann will ich keine Freunde haben. Verflucht und zugenäht! Ich presste Prince Charles’ Ohr an die passende Bruchstelle an einer großen Scherbe und hoffte, dass Kai-Uwe sich in der nächsten Sekunde in Luft auflöst.
Er schüttelte seine grau-schwarze Mähne und sagte unter Aufbietung aller ihm zur Verfügung stehenden Contenance: »Du hast Lokalverbot im Madrid.«
»Trink ich meinen Kaffee eben woanders. Nimm den Köter und halt Ritas Händchen. Ich muss das alles nicht haben. Kein bisschen, Hasselbrink. Da ist die Tür!«
Er öffnete die Terrassentür, schnappte sich den schon heiser gekläfften Willy, warf die Prince-Charles-Scherbe, die er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, in hohem Bogen in den Haselnussstrauch und marschierte in Richtung Ausgang.
»Wilma ist übrigens gerade bei Starlight Express. Lass sie ausrufen und mach ihr auch so eine putzige Szene! Das wird ihr Spaß machen. Wie in alten Zeiten.«
Ich hörte, wie die Haustür zuschlug. Da geht er hin, der schlechteste Küsser vom ganzen Revier. Und im Übrigen sieht er immer noch bekloppt aus, wenn er seine Haare offen trägt. Soll er doch mit Rita glücklich werden.
Du liebe Zeit, mit was für alten Kamellen der hier aufschlägt! Wir waren pubertierende Monster gewesen damals. Und er hätte ja nicht mit mir knutschen müssen, wenn ihm Rita so am Herzen gelegen hatte. Nur weil ich die Schnute hingehalten hab’. So waren wir eben alle. Am Ende der Zwölften hatten wir alle miteinander, durcheinander und aufeinander, Parallelklasse inklusive – bis auf das einzige Mitglied der Tugendfraktion: Rita Thiel.
Dr. Thoma klammerte sich immer noch an seinen Ast. Es sah so aus, als hätte er innerhalb der letzten Viertelstunde zehn Kilo abgenommen. Sehr schlecht für einen Sumo-Champion. Mit Entsetzen erinnerte mich das an meine Spaghetti. Als ich in die Küche kam, blubberte im Topf eine amorphe weiße Masse, die schon bedenklich angebrannt roch. Ich zog den Topf vom Herd und drehte den Schalter auf null. Der Appetit war mit sowieso vergangen.
Sollte ich irgendwann im Leben wieder schreiben können, werde ich die Quatsch-mir-doof-ins-Essen-Diät propagieren und werde damit reich und berühmt.
20
In dieser Nacht schlief ich schlecht. Nicht nur, weil ich wusste, dass jetzt all meine Freunde mit der halben Starlight-Truppe bei Kai-Uwe in der Kneipe abhingen und die Tassen fliegen ließen und ich nicht dabei war, nein, auch weil sich alle alten Gespenster prompt wieder im Haus breit machten. Ich wachte mitten in der Nacht schweißgebadet auf, weil ich meinte, das Klavier klimpern zu hören. Dr. Thoma konnte es definitiv nicht sein, der lag am Fußende meines Bettes und schlief. Ich machte das Licht an und ignorierte den Geruch von Cognac, der eindeutig aus der Ecke kam, wo die Chaiselongue stand.
Es dauerte eine Weile, bis ich meinen bebenden Unterkiefer wieder unter Kontrolle hatte, mir endlich den Bademantel überwarf, die Treppe hinunterschlich
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