abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
nichts.
Als ich in die Küche zurückkam, war der Teller blank, die Blini verschwunden, und zwar im Magen von Dr. Thoma. Die Kühlschranktür stand offen, und auf dem Boden lagen ein paar Glasscherben und ein blauer Metalldeckel, an dem noch eine kleine schwarze, glitschige Perle klebte, daneben schwamm in einer Lache saurer Sahne noch so ein schwarzes Glitsch-Dings. Ich stippte die schwarze Perle aus der sauren Sahne auf und probierte – Kaviar. Jedenfalls hatte Dr. Thoma für mich das Geheimnis der geschmacksfreien Blini gelöst. Hätte ich doch bloß besser hingeschaut! Hätte ich mir doch denken können, dass ein Nikolaj Andrejewitsch Besuchow sich nicht mit schlichten Pfannküchlein nature zufrieden gibt. Ich guckte mir seufzend den Metalldeckel mit den kyrillischen Buchstaben näher an und entzifferte in einer mikroskopisch kleinen Unterzeile in lateinischer Schrift Beluga, stippte die letzte Kaviarperle vom Boden auf und warf den Deckel in den Müll.
Dr. Thoma, noch nicht zufrieden mit seinem russischen Edelsnack und in der Hoffnung, ich würde mal wieder nicht mitkriegen, was er vorhatte, schickte sich gerade an, mit einem großen Stück Parmesankäse das Weite zu suchen. Ich rannte ihm nach und war klar im Vorteil, denn ich schob ja keinen dicken Bauch vor mir her. Ich erwischte ihn unter dem Steinway.
»Du verfressenes Vieh. Blini, Kaviar und saure Sahne, und du kriegst einfach den Hals nicht voll. Ich wette, du hattest vorhin schon eine Portion.«
Dr. Thoma rollte sich auf den Rücken, hielt mir seinen dicken, gespannten Wanst entgegen und war die Unschuld selbst. Ich hob den Kater hoch und drohte, ihn bei den Weight Watchers anzumelden, wenn er sich nicht zusammennehmen würde.
»Mrrrrrrgggghhhhh«, kam es aus seinem dicken Bauch. Dabei ließ er den Käse nicht eine Sekunde aus den Augen.
»Das ist mein Käse! Du hast verloren.«
Dr. Thoma wand sich aus meiner Umklammerung, landete auf dem guten Sofa, trampelte auf den Kissen herum und rollte sich gemütlich zusammen. Er schnurrte, als könnte er kein Wässerchen trüben. Ich machte den Fernseher für ihn an. Auf Eurosport gab es eine Übertragung aus Tokio, das große Natsu Basho, Sumoringen vom Feinsten. Unser Lieblingsprogramm.
»Soll ich dir noch einen Espresso bringen, Dickmops? Oder lieber eine Zigarre?«
Der Kater beachtete meinen Spott gar nicht, sondern legte den Kopf auf die Sofalehne. Damit war ich entlassen.
In der Küche klaubte ich die Glasscherben vom Boden auf, wischte die Sahne weg, spülte den zerbissenen und verflusten Parmesan ab, warf die Spaghetti ins kochende Wasser und wollte gerade anfangen, den Käse zu reiben, als es an der Haustür klingelte.
Ich machte die Tür auf. Willy, der Jack Russell Terrier, quetschte sich hinein und raste ins Wohnzimmer. Ich hörte Dr. Thoma fauchen und wusste im selben Moment, dass der Abend im Eimer war. Das Scheppern von zerberstendem Porzellan hätte ich als Bestätigung gar nicht gebraucht, mir reichte der Anblick von Kai-Uwe Hasselbrink.
Ich ließ Kai-Uwe stehen und rannte ins Wohnzimmer. Dr. Thoma war vor Willy durch die Katzenklappe in den Garten geflüchtet und gerade dabei, auf den Kirschbaum zu klettern. Dabei entsprach er beileibe nicht dem Bild einer geschmeidigen Wildkatze. Willy versuchte, sein zu dickes Hinterteil durch die Klappe zu zwängen, was ihm nach ein paar Sekunden Gestrampel auch mühsam gelang. Er pinkelte demonstrativ an den Baumstamm, postierte sich danach mit gesträubtem Fell davor und kläffte. Dr. Thoma hatte es mittlerweile mit Ach und Krach auf den ersten Ast in ungefähr 1 Meter 20 Höhe geschafft. Sein Kopf hing vornüber, und er hatte arge Probleme, gleichzeitig zu würgen und die Balance zu halten. In einigen Sekunden würde Willy eine Ladung Blini/Beluga/saure Sahne um die Ohren fliegen. Ich verriegelte die Katzenklappe. Die beiden sind schließlich erwachsen.
Kai-Uwe war inzwischen ins Wohnzimmer gekommen, hielt ein Ohr von Prince Charles in der Hand und kam gleich zur Sache: »Was habt ihr beide eigentlich bei Sattelmann veranstaltet?«
»Nix. Gib das her.« Ich nahm ihm das Ohr aus der Hand und sammelte vom Teppich noch zwei weitere Scherben ein, die zu meiner so lange verschollenen Lieblingsdevotionalie gehörten. Die Tasse musste wohl im Regal des großen Wohnzimmerschranks gestanden haben. Zu hoch für mich, um sie sehen zu können – nicht hoch genug für Dr. Thomas Flugkünste.
»Rita ist im Krankenhaus. Wegen euch. Sattelmann
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