abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
Rita-Rettungs-Aktion, gab ich mir eine Zwei plus für Sozialkompetenz und beschloss, mich im Livingroom mit einem Kaffee und einem Schoko-Brownie dafür zu belohnen. Ich kam leider nur bis zur Eingangstür, denn als ich durch die großen Glasfenster Wilma, Nikolaj, Kajo, Winnie und Hasselbrink mit Willy auf dem Schoß einträchtig bei Kaffee und Kuchen an der Bar sitzen sah, war mir schlagartig klar, dass ich die Grenzen meiner Soft Skills nicht weiter ausloten wollte, und trat den Rückzug an.
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Ein paar turbulente Tage später kam ich mit Beute aus der Bochumer City in den Kiosk und war halbwegs guter Dinge. Nur halbwegs, weil Wilma sich trotz zweier Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter nicht bei mir gemeldet hatte. Keine Antwort ist auch eine Antwort! Und mein lieber Freund Winnie Blaschke blieb weiterhin gereizt, verlor aber kein Wort darüber, warum. Da sich in den letzten Tagen keine Chance für ein ungestörtes Gespräch ergeben hatte, war ich bei der Ursachenforschung nicht weitergekommen. Auf jeden Fall hatte es was mit Nikolaj zu tun, denn obwohl die beiden turtelten wie die Weltmeister, sah Winnie täglich besorgter aus, wenn ich ihn überhaupt zu Gesicht kriegte.
Oma Berti hatte also an diesem Morgen im Kiosk die Stellung gehalten, während ich mich um unsere Fan-Ausrüstung für das Mountainbike-Rennen gekümmert hatte. Sie wirkte angespannt und etwas erschöpft, was kein Wunder war, denn seit Montag stand hier alles Kopf.
Über unsere Kurfreundin Mia Hoffstiepel war unversehens eine Katastrophe hereingebrochen. Sie hatte ihren Mann, Fritz, leblos im Schweinestall entdeckt. Fritz hatte an besagtem Montag noch mal nach seiner Prachtsau Sophie sehen wollen, bevor er sich selbst an den Abendbrottisch setzte. Sophie sollte eigentlich schon vor drei Jahren im Kochtopf gelandet sein, aber Fritz hatte es nie übers Herz gebracht, sie zum Schlachter zu bringen. Der Abendschwatz mit Sophie ging ihm über alles.
Mia hatte Sophie quieken hören, sich aber weiter nichts dabei gedacht. Die Prachtsau sprach ja schließlich mit ihrem Kumpel. Als es aber später und später wurde, ist Mia raus, um ihren Mann zu suchen. Sie fand ihren Fritz im Schweinekoben. Er atmete nicht mehr. In der rechten Hand hielt er eine leere Schnapsflasche, eine weitere leere Flasche lag neben ihm.
Ein schnell herbeigerufener Notarzt hatte nur noch seinen Tod feststellen können. Der hatte an den Flaschen geschnüffelt, und weil beide Flaschen ohne Etikett waren, hatte er irgendwas von selbst gepanschtem Kräuterschnaps gemurmelt und einen natürlichen Tod durch Herzversagen und Alkoholvergiftung attestiert.
Der tote Fritz Hoffstiepel lag bei einem Bestatter in Bochum Linden im Kühlhaus, weil Mia sich nicht überwinden konnte, ihren Mann beerdigen zu lassen. Wir hielten Dienstag und Mittwoch in Oma Bertis Wohnzimmer Kriegsrat. Mia schwankte zwischen Trauer, Wut und Verzweiflung. Sie war schließlich zu der festen Überzeugung gelangt, dass ihr Mann den Fusel nicht freiwillig getrunken hatte. Sie bestand darauf, dass ihr Fritz auch in seinen schlimmsten Säuferzeiten niemals Kräuterschnaps angerührt hatte. Immer nur Fiege Pils und klaren Weizenkorn von der Brennerei Schulte Kemna aus Wattenscheid.
Ich war hin und her gerissen. Mia tat mir unendlich leid, denn sie war in den letzten Wochen extrem gut drauf gewesen, weil ihr Mann mit dem Trinken aufgehört hatte, während sie in der Kur gewesen war. Ihre Ehe lief wieder gut, fast wie in alten Zeiten, wie sie immer wieder betonte. Mia hatte sogar schon die Tickets für eine Kreuzfahrt im September in der Tasche. Für ihre zweite Hochzeitsreise. Danach wollten sie nur noch ihren Lebensabend genießen.
Ich fragte mich, ob Mia nicht vielleicht die Augen vor dem Offensichtlichen verschlossen hatte. Schließlich hat Carmen Sawatzki Mia all die unangenehmen Fragen gestellt, die man in dieser Situation stellen musste: Hatte ihr Fritz das Trinken wirklich drangegeben? War wirklich alles gut gewesen? Hatte er wirklich während ihrer Kur selbst einen Entzug gemacht? Ging er wirklich zweimal in der Woche zu den Treffen der Anonymen Alkoholiker? Hat es wirklich keine Alkoholverstecke mehr gegeben? Wollte Mia einfach nicht einsehen, dass er es nicht geschafft hatte, und suchte jetzt einen Sündenbock, weil sie die Wahrheit nicht verkraftete?
Mia hatte die Sorge hinter Carmens inquisitorischen Fragen verstanden und tapfer alles beantwortet. Schließlich waren wir zu dem Schluss gekommen, dass
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