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Abgeschaltet

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Titel: Abgeschaltet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Winterhagen
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benötigt, etwas lernen können.
DER GÄRTNER
    Romantischer kann eine Gärtnerei nicht liegen: Hinter Gewächshäusern und Scheune eine Wiese, dahinter das Meer. Ein altes zweistöckiges Haus mit gelben Klinkersteinen und blauen Fenstern. Gegärtnert wird hier schon eine Weile nicht mehr, die Gewächshäuser dienen als Gehege für Hühner und Tauben. Kai Anderson, Jahrgang 1930, versucht die Vögel mit kurzen Pfiffen zu locken. Doch die interessieren sich nicht für Besuch aus Deutschland. Ob sie sich gegenüber dem japanischen Kulturminister, der auch schon hier war, respektvoller verhalten haben? Später wird Anderson mich in den Raum im Erdgeschoss seines Hauses führen, in dem sich Wärmespeicher und Steuerung für seine Solarthermieanlage befinden. Anderson war der Erste auf der Insel, der vor 15 Jahren eine solche Anlage auf seinem Dach montierte. Inspiriert hat ihn die Bewässerungsanlage in den Gewächshäusern, die im Sommer abends oft so viel warmes Wasser enthielten, dass er zum Duschen ins Gewächshaus ging. Die Solaranlage habe er mit eigenen Händen installiert, erzählt er stolz. Seine Nachbarn seien zunächst sehr kritisch gewesen, er habe ihnen jedoch gesagt: Warum sein Geld zur Bank tragen, um schlechte Zinsen zu bekommen? Die Anlage zahlte sich aus.
    Überhaupt war die Ökonomie das wesentliche Argument, mit dem Sören Hermansen, einst selbst Bauer, dann Motor des Projektes, die Insulaner überzeugt hat. Insbesondere der Bau der seegestützten Windkraftanlagen sorgte für Diskussionsstoff, da die Hälfte der Investition von der Gemeinde aufgebracht werden musste. »Die Leute hier sind es nicht gewohnt, mit großen Summen umzugehen«, so Anderson. Es habe schon eine Anti-Stimmung gegeben. »Neuem ist man hier eben schnell negativ gegenüber.« Heute hingegen seien die Samsinger alle stolz auf Hermansen, der schon einmal vom US-Magazin Time zum Umwelthelden gekürt wurde und den dänischen Kronprinzen auf der Insel herumführte.
    Ein Idealist oder gar Aktivist ist Anderson sicher nicht. Der Gärtner wollte schlicht warmes Wasser auf eine billige Art und Weise bekommen. Und das funktioniert tadellos, von einem Wechsel desWarmwasserspeichers abgesehen, der notwendig geworden war, als er Auto-Frostschutzmittel eingefüllt und dies die Schweißnaht angegriffen hatte. Mit Begeisterung erläutert er mir jedes Detail, jeden Schalter, jede Anzeige seiner Anlage. »Ein wenig ist es doch zum Hobby geworden«, sagt er fast entschuldigend.
DER ENERGIEBERATER
    Michael Kristensen, Ende 30, treffe ich in der Energie-Akademie, die im Badeort Ballen an der Ostküste errichtet wurde. Ein Gebäude des 21. Jahrhunderts, dunkle Hölzer, reduzierte Formen, perfekte Wärmedämmung, die guten Silizium-Solarzellen auf dem Dach, verglaste Besprechungsräume. Michael ist der Mann, der rausfährt und Hauseigentümer berät, die besser dämmen oder eine neue Heizung anschaffen wollen. Er weiß, wovon er redet, auch ohne ingenieurwissenschaftliches Studium. Aufgewachsen auf Samsö, ausgebildet als Tischler und Dachdecker, kann er mit den Menschen vor Ort in einer für sie verständlichen Sprache sprechen. Und er findet die richtigen Argumente. Zum Beispiel um die Handwerker auf der Insel zu überzeugen, sich weiterzubilden und Wärmepumpen und Solaranlagen statt Ölheizungen anzubieten. Die Ausstattungsrate mit Solarthermieanlagen ist in Samsö um das Vierzehnfache höher als der dänische Durchschnitt, bei identischer Förderung wohlgemerkt.
    Allein mit Beratung begnügt sich Kristensen nicht. Intensiv arbeitet er am Projekt »Samsö 2.0« mit. Bis 2020 soll die Abhängigkeit von fossiler Energie endgültig der Vergangenheit angehören. Auch wenn der Plan bei meinem Besuch noch nicht verabschiedet ist, so ist die Zielrichtung doch klar: Der Transportsektor soll möglichst weit auf erneuerbare Energie umgestellt werden. Wichtigste Stoßrichtung: die Fähren, die allein für die Hälfte der CO 2 -Emissionen der Insel verantwortlich sind. Sie sollen künftig mit Biogas betrieben werden. Die Biomasse dafür soll vor allem aus Reststoffen aus der Landwirtschaft sowie einer örtlichen Konservenfabrik stammen. »Wir nutzen auf Samsö erst ein Fünftel der Biomasse und wollen diesen Anteil verdoppeln«, erläutert der Energieberater. Das Finanzierungskonzept für die Biogasanlage könnte sich am Erfolg der Windturbinen orientieren. Wiederum sollen verschiedene Bauern gemeinsam mit der Konservenfabrik das notwendige Kapital von 500000

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