Abgeschaltet
dänischen Kronen aufbringen.
Aber auch beim Straßenverkehr will Samsö 2.0 ansetzen. Die Busse für den öffentlichen Nahverkehr werden neu ausgeschrieben, angeschafft werden sollen nur noch Fahrzeuge, die mit Biogas oder Wasserstoff fahren. Eine relativ leichte Übung, verglichen mit dem Pkw-Verkehr. Kristensen überlegt, eine kleine Flotte von 30 elektrischen Carsharing-Fahrzeugen anzuschaffen, um die Insulaner davon zu überzeugen, dass Elektromobilität funktioniert. Aber Individual-Verkehr heißt so, weil Individuen entscheiden, mit welchem Fahrzeug sie wann welche Strecken fahren. »Immerhin ist das Bewusstsein bei uns viel größer als im übrigen Dänemark«, macht er sich Mut.
Bei der Erstellung des neuen Masterplans geht Samsö dieses Mal noch weiter als in den Neunzigern. Damals war der Plan – von einem Ingenieur erarbeitet, vom Bürgermeister und dem wichtigsten Großbauern getragen – fix und fertig, als die Umsetzung mit der Bevölkerung diskutiert wurde. Nun werden in der Planerstellungsphase offene Besprechungen abgehalten, in denen mit den Bürgern diskutiert wird. Wenn Widersprüche kommen, sehen die anders aus als in deutschen Kommunen. Fast überall auf der Welt gilt, dass selbst Projekte, deren grundsätzlicher Sinn nicht in Frage gestellt wird, von der lokalen Bevölkerung abgelehnt werden, wenn sie räumlich zu nah kommen. »Not in my backyard«, nennt man dieses Phänomen. In Samsö gilt hingegen: »Only if I own it«. Eine Windmühle ist eben attraktiver, wenn jede Umdrehung gut für den eigenen Geldbeutel ist.
Die Bauern auf der Insel, so Kristensen, sehen die Strohverwertung im Blockheizkraftwerk und die Windkraftanlagen als Erweiterung ihres Geschäftsmodells. Der garantierte Abnahmepreis – Dänemark zahlt ebenfalls fixe Einspeisevergütungen für Windstrom – erscheint ihnen als attraktive Option gegenüber dem Gemüseanbau, wo sie in einem Preiswettbewerb stehen. Durch die Entwicklung der letzten zehn Jahre seien die Samsinger auch eher bereit, zu etwas Neuem »Ja« zu sagen.
Also gar keine Widerstände?, frage ich. Kristensen verschränkt die Arme, zögert und sagt dann: »DONG mag uns nicht und wir mögen DONG nicht.« Der größte dänische Energieversorger gehört zur Hälfte dem Staat, produziert vor allem Kohlestrom, baut aber auch riesige Offshore-Windparks. Nicht so sehr in der Firmenpolitik als vielmehr in den Besitzverhältnissen sieht Kristensen das Problem: Was, wenn ein einziger Versorger, der einen großen Teil des Windstroms erzeugt, sich eines Tages in den Händen russischer oder chinesischer Geschäftsleute wiederfindet? Was in Zeiten derGlobalisierung fast schon normal ist, das passt nicht in eine Kommune, in der die Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen wollen.
DER LEHRER
Wie ein gestrenger Rektor sieht Jörgen Hald wirklich nicht aus, zumindest nicht in T-Shirt und kurzen Hosen. Allerdings leitet er auch keine normalen Schule, sondern eine »Efterskolen«. Eine sehr dänische Version des Internats, das Schüler zwischen Mittel- und Oberstufe besuchen können – aber nur für ein Jahr. Unter Gleichaltrigen sollen sie persönlich reifen, indem sie neben der Schule Ackerbau betreiben, segeln oder Theater spielen.
Hald gehört zu den wenigen Idealisten, die das Projekt Energie-Insel von Anfang an unterstützten. Als es galt, Menschen für das Projekt zu gewinnen, zog er im Nordteil der Insel von Haus zu Haus. Hald ist sich bewusst, dass die meisten seiner Mitbewohner seinen Idealismus nicht teilen und beispielsweise bei der Umstellung der Heizung von Öl auf Biomasse nur mitgemacht haben, weil es billiger war. »Wenn es ökonomisch keinen Sinn gemacht hätte, dann hätten wir es nicht durchgekriegt. Die Bauern hier, wie überall auf der Welt, hätten uns gefragt: Warum soll ich etwas ändern?« Eine kleine Rolle habe auch die Rivalität zwischen dem nördlichen und dem südlichen Teil der Insel gespielt, die nur durch einen schmalen Streifen Land miteinander verbunden sind. Ab einem gewissen Zeitpunkt wetteiferten beide Inselteile darum, das erste Biomassekraftwerk in Betrieb zu haben.
Das Konzept der Energie-Insel versucht Hald auch seinen Schülern zu vermitteln. Mit wechselndem Erfolg. »Es hat sich etwas geändert. Als wir jung waren, Ende der sechziger Jahre, war es wichtig, an eine Sache zu glauben. Das ist heute nicht mehr so.« Aber indem man darüber rede, werde bei den Jugendlichen schon ein Bewusstsein für das Thema Energie
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