Abgeschaltet
Zwar befinden sich die meisten Projekte noch in den Kinderschuhen oder bestenfalls in erster Erprobung, aber es liegt auf der Hand, dass hier Potenzial besteht. Allerdings sollte man die Erwartung nicht zu hoch schrauben: Was man mit kleinen Kraftwerken erzielt, sind vor allem klassische Mitnahmeeffekte. Wenn man Stauwehre ohnehin renovieren muss und Energie knapper wird, warum nicht beides kombinieren? Eine Lösung für den Energiehunger dieser Welt bietet die Kleinwasserkraft nicht. Zumal Wasser in vielen Regionen dieser Erde eine ähnlich knappe Ressource wie Energie ist und wohl vorerst auch bleiben wird.
Zudem wird die Wasserkraft von der drohenden Klimaveränderung stärker beeinflusst als andere Formen der Energieerzeugung. Schmelzende Gletscher und geringere Schneefälle in bestimmten Regionen können dazu führen, dass die Wasserstände im Sommer geringer ausfallen als gewohnt. Glaziologen – Gletscherforscher also – haben solche Szenarien beispielsweise für die Donau durchgespielt. Sie kamen zu dem Schluss, dass die fehlenden Niederschläge in heißeren Sommern den größten Einfluss auf mögliche Pegelstandsänderungen ausüben dürften. Im Rekordsommer 2003 konnte die Trockenheit noch durch stärkere Gletscherschmelzen ausgeglichen werden – ein Effekt, der auf Dauer buchstäblich dahinschmilzt. Für die Wasserkraft mit ihren langen Planungs- und Amortisationszeiten bedeutet es auf jeden Fall, dass stärkere jahreszeitliche Schwankungen einkalkuliert und bei der Konstruktion berücksichtigt werden sollten. Einzelne Experten befürworten sogar, in den Alpen künstliche Wasserspeicher zu errichten.
Dass heute eine möglichst ungehinderte Fischwanderung zu einem zentralen Thema beim Um- und Ausbau von Wasserkraftwerken gemacht wird, wird von allen Experten, die ich gesprochen habe, uneingeschränkt begrüßt. Allerdings sind für sehr große Kraftwerke, die mit Talsperren arbeiten, keine Lösungen erkennbar. Hier werden bestehende Ökosysteme zerschnitten, es entstehen neue, nicht unbedingt weniger wertvolle Lebensräume. Um allerdings bestimmten Arten, die zur Fortpflanzung auf die Wanderung angewiesen sind, ein Überleben zu gewähren, gibt es nur einen Weg,wenn man auf die Nutzung der ansonsten sehr umweltfreundlichen Wasserkraft nicht verzichten will: bewusst bestimmte Flüsse und Regionen völlig unberührt zu lassen, und zwar großflächig. Vielleicht ist es sogar das modernere Konzept von Naturschutz, Kulturlandschaften und National- oder Naturparks nebeneinander zu fördern, anstatt überall kleine Eingriffe vorzunehmen, die weniger Schaden anrichten. Aber eben doch schaden.
NOCH MEER KRAFT
Die Nutzung der Wasserkraft beschränkt sich bislang fast ausschließlich auf das Binnenland. Logisch, denn hier besteht schließlich die Nachfrage. Jedem Skipper, der hinaus aufs Meer fährt, ist jedoch klar, dass die ungeheuren Wassermassen der Meere und Ozeane weitaus größere Kräfte bergen als die der Flüsse und Seen. Warum also nicht Wellen, Meeres- und Gezeitenströmungen nutzen, um für den Menschen nutzbare Energie zu gewinnen?
Das Meer ist nicht leicht zu zähmen. Selbst Gezeitenkraftwerke, bei denen die Energieernte an der Küste erfolgen kann, gibt es deshalb erst wenige. Nennenswert sind eigentlich nur zwei: das bereits 1961 fertiggestellte Werk Rance an der französischen Atlantikküste und das kürzlich in Betrieb genommene Sihwa-ho in Südkorea. Beide leisten rund 250 Megawatt und arbeiten mit Turbinen, die in eine Staumauer eingelassen sind, mit der eine natürliche Bucht vom Meer abgetrennt wurde. In Korea, einem der größten Erdölimporteure der Welt, gibt es mittlerweile Planungen für weitere Anlagen. Das größte Gezeitenkraftwerk der Welt mit einer Leistung von 8,5 Gigawatt sollte an der Mündung des Severn bei Cardiff entstehen. Die britische Regierung entschied sich jedoch Ende 2010 gegen eine Verfolgung des Projekts. Die hohen Kosten von bis zu 34 Milliarden Euro und das große technische und ökologische Risiko sprächen für sie dafür, sich lieber anderen Energiequellen, vor allem Wind und Atomkraft, zuzuwenden. Gegen Gezeitenkraftwerke gibt es erhebliche ökologische Bedenken, die aus meiner Sicht durchaus berechtigt sind. Denn die Küsten sind nicht nur für Urlauber, sondern auch für sehr viele Tierarten – ob Wasservögel oder Reptilien – äußerst wertvolle Biotope. Eine großtechnische Nutzung ist ohne massive Umwelteingriffe kaum möglich.
Es könnte sich als
Weitere Kostenlose Bücher