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günstiger erweisen, Meeres- und Gezeitenströmungen direkt zu nutzen, indem man Turbinen unter Wasser platziert. Ähnlich wie Windräder können sie an einem Turm montiert werden, dessen Fundament in den Meeresboden gerammt wird. Verglichen mit dem Staudammbau ist diese Bauart weitaus weniger kapitalintensiv. Die erste kleine kommerzielle Anlage mit 1,2 Megawatt Leistung ist seit 2009 in der irischen See bei Strangford in Betrieb. Sie liefert jährlich sechs Gigawattstunden Strom und ist damit doppelt so effektiv wie eine im Meer stationierte Windturbine gleicher Leistung – aber auch doppelt so teuer. Da Wasser deutlich dichter als Luft ist, laufen die kleineren Rotoren recht langsam, was Fische schonen soll. Experten befürchten dennoch, dass die Anlagen ausgerechnet jene Tiere gefährden, die der Mensch besonders ins Herz geschlossen hat: die Meeressäuger. Von Turbinen in Stücke gehäckselte Delphine, das kann sich eine zivilisierte Gesellschaft nicht leisten. Als besonders problematisch könnte sich herausstellen, dass die Orientierung von Meeressäugern durch elektromagnetische Felder, die in Generatoren zwangsläufig entstehen, leidet. Da die Feldstärke abhängig von der Entfernung mit der dritten Potenz abnimmt – also in zwei Metern Abstand nur noch ein Achtel der Feldstärke herrscht – macht es durchaus einen Unterschied, ob der Generator im Wasser angebracht ist oder wie bei einer seebasierten Windkraftanlage in einer Höhe von einhundert Metern über dem Wasser. Da sich diese Technik noch in einem frühen Entwicklungsstadium befindet, ist es für ein abschließendes Urteil viel zu früh. Anhand der Prototypenkraftwerke sollten einschlägige Untersuchungen durchgeführt werden, damit man die ökologischen Folgen dieser an sich vielversprechenden Idee besser abschätzen kann.
Unter bestimmten Bedingungen kann man an der Küste nicht nur die Kraft der Gezeiten, sondern auch die der Wellen nutzen. Dazu muss – beispielsweise in eine Hafenmole – eine Röhre am Ufer gebaut werden, in die das Wasser mit jeder Welle einströmen kann. Das Wasser verdrängt dann die Luft in der Röhre, und die Luftbewegung treibt eine an der oberen Öffnung des Rohrs sitzende Turbine an. Schwappt die Welle zurück, strömt die Luft in die andere Richtung. Solche mit einer schwingenden Luftsäule arbeitenden Kraftwerke haben einige Nachteile: Turbinen, die in beide Richtungen arbeiten, haben geringere Wirkungsgrade als solche, die auf eine Strömungsrichtung optimiert sind, und zwar etwa 60 Prozent. Zudem sollen sie recht laut sein. Nach einer langwierigen Bauphase ging um Juli 2011 das erste kommerzielle Kraftwerk dieser Bauart im Hafen von Mutriku an der baskischen Küste in Betrieb. Ein anderes Konzept wird in Lysekil an der schwedischenWestküste erprobt: Ein Lineargenerator sitzt auf dem Meeresboden in 25 Metern Tiefe und ist über ein Seil mit einer kleinen Schwimmboje verbunden. Die Wellen schaukeln die Boje auf und ab, das Seil bewegt den Kern einer Magnetspule im Generator. Die Untersuchungen laufen noch bis 2013. Die beteiligten Wissenschaftler weisen darauf hin, dass die Testanlage der Meeresfauna eine Erholung von der zuvor intensiv betriebenen Fischerei gewährt.
Noch unbedingter wirken die Kräfte des Meeres auf offener See. Wer mit der Kraft der Wellen arbeiten will, muss sich jedoch weit hinaus wagen. In Küstennähe bremst der Untergrund die Bewegung der Wasserteilchen, die Welle türmt sich auf, bricht und gibt dabei einen guten Teil ihrer Energie ab. Wellenkraftwerke sind daher erst ab ungefähr zwanzig Meter Wassertiefe sinnvoll – also zum Beispiel nicht im deutschen Wattenmeer. Das Potenzial ist allerdings vor allem vor den Westküsten Europas nicht unerheblich. Allein entlang der britischen Küste, so wird behauptet, könnte man mit der Energie der Wellen den gesamten Strombedarf des Landes decken.
Wie man die Kraft des Meeres technisch bändigen kann, dazu sind in den letzten Jahrzehnten mehr als 1000 Patente angemeldet worden. Meist blieb es bei einer Idee. Einen Schritt weiter gingen dänische und deutsche Forscher, die vor zehn Jahren einen Wellendrachen entwickelten. Bei ihrem »Wave Dragon« handelt es sich um eine schwimmende Stahlbeton-Plattform für tiefe Gewässer, die von den herannahenden Wellen überspült wird. Das Wasser fließt stets zur Mitte der Plattform, wo es durch mehrere Kanäle abfließt. In jedem Kanal sitzt eine klassische Turbine und produziert Strom – letztlich wird
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