Abgeschaltet
die einzige direkte Umweltbeeinträchtigung durch das Werk: Sie ist so laut, dass man sich nur mit erhobener Stimme verständigen kann. Freilich bräuchte man sie auch, wenn man keinen Strom erzeugen, sondern nur das Warmwasser nutzen wollte.
Aus der Erde strömt das 140 Millionen Jahre gelagerte Wasser unter neunfachem Atmosphärendruck mit einer Temperatur von 123 Grad Celsius. »Es könnte auch als Heilwasser verwendet werden und wäre dann eine Schwefel-Jod-Quelle, wie man sie aus Bad Tölz kennt«, erläutert Geisinger. Für die Techniker besonders vorteilhaft ist, dass nur wenig Salz im Wasser gelöst ist – damit vermindern sich mögliche Korrosionsprobleme in Leitungen und Anlagen.
Dem Fluss des Wassers folgend, betreten wir das eigentliche Kraftwerk. »Es wird jetzt ein wenig laut«, warnt Geisinger. Obwohl die Kalina-Anlage zu Wartungszwecken abgeschaltet wurde, surren die für den Wärmebetrieb notwendigen Wasserpumpen mit unangenehm hoher Frequenz. Außerdem riecht die Luft leicht stechend, ein Hinweis darauf, dass es immer wieder Probleme mit der Dichtigkeit der ammoniakführenden Anlagenteile gibt. Grundsätzlich ist Ammoniak in höherer Konzentration giftig. Allerdings nutzen auch Brauereien den Stoff, um Bier zu kühlen. Und nicht zuletzt ist es ein Zwischenprodukt bei der Harnstoffgewinnung, den wir in großen Mengen als Dünger einsetzen. In der chemischen Industrie wie in Brauereien kommt es hin und wieder zu Unfällen und Ammoniakaustritt, glücklicherweise fast immer ohne Gefahr für Menschen. Die chemischen Eigenschafen des Stoffes sind jedoch nicht leicht zu ersetzen: Er siedet bei –33 Grad Celsius, kann jedoch unter Druck leicht wieder verflüssigt werden. Außerdem brennt er nur in einem ganz bestimmten, in der Praxis nicht auftretenden Mischungsverhältnis, so dass das Kraftwerk nicht explosionsgeschützt werden muss.
Zunächst wird das Wasser gefiltert. Gesteinsreste, die größer als ein Zehntel Millimeter sind, werden so abgefangen. Viel ist es nicht, eine Hand voll Dreck am Tag. Dann erfolgt die Aufteilung in die zwei Prozesse zur Wärme- und Stromerzeugung. Wie viel Wasser an dieser Weiche wohin fließt, entscheidet sich am Bedarf des Fernwärmenetzes, der sich wiederum im Wesentlichen aus der Außentemperatur bestimmt. Die Prozesse, wie ursprünglich geplant, in Reihehintereinander zu schalten, hat sich als nicht durchführbar erwiesen. Die hinter der Kalina-Anlage verbleibende Temperatur von 60 Grad Celsius reicht nicht aus, um ein großes Fernwärmenetz zu betreiben. Von einer klassischen Kraft-Wärme-Kopplung kann man also nicht sprechen. Eine Ausnahme stellt ein benachbartes Gewächshaus dar, das einen kleinen Teil des Restwassers abnimmt und mit 35 Grad zurückliefert.
Anders sähe es aus, wenn es sich bei Unterhaching nicht um eine gewachsene Siedlung handelte, die im Wesentlichen in der Mitte des 20. Jahrhundert entstanden ist. Eine moderne Passivhaus-Siedlung käme mit einem Fernwärmeniveau von 60 Grad zurecht – man könnte die Erdwärme deutlich besser ausnutzen; vor allem mehr Strom erzeugen. Ein kleines Beispiel dafür, wie Energieversorgung als Element der Stadtplanung zum Klimaschutz beitragen kann. Denn ohne politische Unterstützung kann die Fernwärme gegen den Gasanschluss nicht bestehen: Es handelt sich um hohe Infrastrukturkosten, die Verbraucher in der Regel nicht mittragen wollen.
Jenes Thermalwasser, das für die Verstromung übrig bleibt, dient dazu, das zunächst flüssige Ammoniak-Wasser-Gemisch, das zu 89 Prozent aus Ammoniak besteht, in zwei Stufen komplett zu verdampfen. Das Ammoniak sorgt dafür, dass das Gemisch besser verdampft, das Wasser trägt dazu bei, dass es besser kondensiert. Der Dampf treibt eine Turbine an, die ursprünglich als Verdichter für Kältemaschinen gebaut und dann modifiziert wurde. Nach Meinung von Fachleuten liegt hier großes Entwicklungspotenzial.
Der durchschnittliche elektrische Wirkungsgrad der Anlage in Unterhaching, so stellt sich heraus, liegt bei zehn Prozent. Allein die Kühlleistung, die benötigt wird, um die im geschlossenen Kreislauf geführte Ammoniaklösung nach der Turbine wieder komplett zu verflüssigen, raubt fast ein Sechstel der Anlagenleistung. Erschwerend kommt hinzu, dass sie sehr oft im Teillastbereich gefahren wird, was bei jeder Stromerzeugung mit Dampfturbinen Wirkungsgrade kostet. Geisinger rechnet damit, dass bei reinem Volllastbetrieb zwei oder drei Prozentpunkte mehr drin wären. Eine
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