Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abgeschaltet

Abgeschaltet

Titel: Abgeschaltet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Winterhagen
Vom Netzwerk:
die traditionelle kryogene Methode (man kühlt die Luft auf –183 Grad ab, dann wird der Sauerstoff flüssig, während Stickstoff noch gasförmig ist) Energie kostet, ist die Oxidation sogar exotherm, sprich es wird Energie frei. Die Darmstädter rechnen damit, dass ein solches CCS-Verfahren am Ende nur zwei bis drei Strafpunkte beim Wirkungsgrad kosten könne. Vermutlich sei es mit zehn Euro je Tonne CO 2 sogar günstiger als heutige Emissionsrechte. Allerdings ist vor einem Serieneinsatz noch erhebliche Entwicklungsarbeit zu leisten, zumal der Transportvon Feststoffen aus und in eine Brennkammer alles andere als trivial ist. Vielleicht, so Epple, wird es sogar möglich sein, die Sauerstoffgewinnung in der Brennkammer selbst durchzuführen.
    Die gleiche Idee – den Abtransport eines Gases durch ein Oxid zu organisieren – überträgt Epple auch auf die nachträgliche CO 2 -Abtrennung bei konventionellen Brennverfahren. Hier kommt Kalziumoxid zum Einsatz, das mit dem Kohlendioxid im Abgas zu Kalziumkarbonat reagiert. Dieses Karbonat wird in einem separaten Reaktor bei 650 Grad Celsius wieder zu Kalziumoxid, das Kohlendioxid liegt anschließend in sehr reiner Form vor. Trotz des hohen Temperaturniveaus dieser Reaktion ist der Gesamtprozess recht effektiv, er dürfte nach Abschätzung Epples maximal sechs Prozent Wirkungsgrad kosten. Dieser »Carbonate Looping« getaufte Prozess ist kein völlig geschlossener Kreislauf: Da die Reaktionswilligkeit des Kalziumoxids schon nach wenigen Zyklen sinkt, muss man im Schnitt 68 Kilo frischen Kalkstein zugeben, um jeweils eine Tonne Kohlendioxid abzuscheiden. Ganz so schlimm ist das nicht, denn Kalziumoxid ist unter dem Namen »gebrannter Kalk« ein wesentlicher Rohstoff für die Zementherstellung. Der Einsatz in Zementwerken würde sogar deren Kohlendioxidemission verringern.
    Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch ein Prozess beschrieben, bei dem das Kohlendioxid vor der Verbrennung abgeschieden wird. Er funktioniert nur mit einem neuen Kraftwerktyp, bei dem die Kohle vorab vergast wird. Es entsteht ein Gemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff, bekannt als Synthesegas. Dann gibt man Wasser und Wärme zu, das Kohlenmonoxid schnappt sich das Sauerstoffatom aus dem Wasser und ist als Kohlendioxid physikalisch oder chemisch gut abzutrennen. Übrig bleibt reiner Wasserstoff, den man in einer Gasturbine bei sehr hohen Temperaturen verbrennt. Die Abwärme nutzt man für den Antrieb von Dampfturbinen, so dass der gesamte Prozess dem eines Gaskraftwerks sehr ähnlich wird. Man spricht daher auch von IGCC-Kraftwerken – das Kürzel steht für »Integrated Gasification Combined Cycle«. Unter Experten gilt dieses Verfahren als ziemlich ausgereift, der verbleibende Forschungsbedarf als gering. Das spektakulärste IGCC-Projekt soll 2014 in Texas ans Netz gehen, gesponsert mit 350 Millionen Dollar durch das US-Energieministerium, geleitet von Ex-Energie- und Innenminister Donald Paul Hodel.
    Ein erstes deutsches Großkraftwerk mit dieser Technik wollte RWE ursprünglich bis 2015 in Hürth vor den Toren Kölns bauen. Mittlerweile wurde das Projekt auf Eis gelegt, weil es für die Speicherung des abgeschiedenen Kohlendioxids keinen sicheren rechtlichen Rahmen gibt. Daran ist wiederum RWE nicht unschuldig. Denn es heißt, dass es die – nicht mit der Landesregierung abgesprochene – Ankündigung eines Pipeline-Baus von Hürth nach Schleswig-Holstein war, die den politischen Widerstand im Norden erst erzeugt hat.
WOHIN DAMIT?
    Grundsätzliche kommen verschiedene Lagerstätten als Kohlendioxid-Deponien in Frage. Da es sich bei CO 2 unter normalen Temperaturen um ein Gas handelt, das auf Dauer unterirdisch verschlossen werden soll, liegt es nahe, sich zunächst jene Plätze anzusehen, in denen Natur Erdgas über Millionen Jahre eingeschlossen hat. Erdgasfelder also. Solche, die ausgefördert sind und in denen Platz für Kohlendioxid ist. Allein in Norddeutschland sollen 66 Felder mit einer Gesamtkapazität von 1,8 Milliarden Tonnen bestehen. Sie gelten als grundsätzlich sicher, sind sie doch stets mit einer gasundurchlässigen Gesteinsschicht bedeckt (sonst hätte sich dort das Methan gar nicht sammeln können). Zusätzlicher Vorteil: Die Infrastruktur für den Gastransport existiert in der Regel bereits. Das einzige Sicherheitsrisiko besteht in nicht entdeckten und unverschlossenen Bohrlöchern, die zu einer Leckage führen könnten.
    Wenn das Gas noch gefördert wird, kann

Weitere Kostenlose Bücher