Abgeschaltet
verdrängt und Lebewesen die Luft zum Atmen fehlt. In diesem Zusammenhang wird immer wieder der afrikanische Vulkansee Nyos genannt. 1986 entwichen aus ihm schlagartig anderthalb Millionen Tonnen Kohlendioxid vulkanischen Ursprungs. Fast 2000 Menschen starben an seinen Ufern. Die Frage lautet also: Ist so eine »Explosion« auch bei CCS-Anlagen zu befürchten?
Ich halte dies nach allem, was ich gelesen habe, für unwahrscheinlich. Die Katastrophe am Nyos wurde dadurch verursacht, dass das Kohlendioxid nicht, wie bei anderen Vulkanseen, allmählich entweichen konnte, sondern sich unter dem See gesammelt hatte, bis der Druck so hoch war, dass es sich schlagartig entlud. Klar ist aber, dass man unterirdische Kohlendioxidspeicher mit Drucküberwachungssystemen ausführt – und sich im Zweifelsfall eher dafür entscheiden würde, das Kohlendioxid kontrolliert entweichen zu lassen, als den Druck zu hoch werden zu lassen. Realistischerweise ist die Gefährdung keinesfalls größer als bei Erdgasleitungen und -speichern, die wir auch unter unseren Wohngebieten, Kindergärten, Schulen dulden. Nein, sie ist sogar geringer, da Kohlendioxid nicht entflammbar ist.
Wie viele Speicher wo in Deutschland überhaupt zur Verfügung stehen, untersucht das Bundesamt für Geowissenschaften noch, während ich zum letzten Mal Korrektur lese. Die in den Medien kolportierten 408 Standorte basieren auf Regionalstudien, die mitnichten ganz Deutschland abdecken. Allerdings dürfte sich die Tendenz bestätigen, dass die meisten potenziellen Speicherorte sich in wenigen Bundesländern im Norden und Osten Deutschlands befinden. Und genau hier liegt das Problem: In der aktuellen Fassung des Gesetzes, das ohnehin nur Demonstrationsvorhaben regelt, wird den Ländern freigestellt, ob sie bestimmte Gebiete von der Kohlendioxidspeicherung ausschließen, ein Passus, für den insbesondere Schleswig-Holstein gekämpft hatte. Das einzige Bundesland, in demzumindest in Form eines Pilotprojektes überhaupt Kohlendioxid schon unter die Erde gebracht wird, ist Brandenburg. In Ketzin lagert das Deutsche Geoforschungszentrum seit 2008 Kohlendioxid in einem Aquifer, bislang mehr als 50000 Tonnen. Allerdings treten auch dort Bürgerinitiativen massiv für ein Verbot ein. Hauptargument: Das ist gefährlich, denn wir wissen nicht, ob das Kohlendioxid wirklich da unten bleibt. Nebenargument: Wenn schon, dann bitte nicht hier!
Angesichts des Aufschreis mancher Kommune, die in dem allein nach geographischen Kriterien zusammengestellten Atlas des Bundesamtes für Geowissenschaften genannt wird, ist zu vermuten, dass es sehr schwierig werden wird, in Deutschland Lagerstätten für Kohlendioxid auszuweisen. Zumal fraglich ist, ob die Energiekonzerne nach dem aus ihrer Sicht verlorenen Kampf um die Kernenergie ein weiteres Schlachtfeld aufmachen. »Wir sind nicht bereit, uns wieder über Jahre öffentlich verhauen zu lassen«, sagt ein E.ON-Mann. Für die Verfechter von CCS – und das sind mitnichten nur Konzerne, sondern auch viele Klimaschützer – scheint daher eine Lagerung »offshore«, also unter dem Meer, durchsetzbarer. Allerdings macht das die Sache auch komplizierter, sprich, es kostet mehr und dauert länger.
Den Nachweis, dass eine Untersee-Speicherung funktioniert, versucht der staatliche norwegische Energiekonzern Stateoil zu erbringen. Er fördert aus dem Feld »Sleiper« in der Nordsee Erdgas, das einen ungewöhnlich hohen CO 2 -Anteil von neun Prozent hat. Um dieses nicht in die Umwelt entweichen zu lassen, wird es direkt auf der Förderplattform vom Erdgas abgeschieden und zurück in die Erde gepumpt. Der Speicher sitzt 1000 Meter unter dem Meeresboden in einem salinen Aquifer. Dieses Projekt, bei dem jedes Jahr eine Million Tonnen Kohlendioxid verpresst werden, beweist die grundsätzliche technische Machbarkeit, sogar auf dem engen Raum einer Förderplattform. Das Gestein ist höchst aufnahmefähig, es fasst angeblich sechs Milliarden Tonnen Kohlendioxid. Zur Dichtheit des Speichers gibt es fortwährende Untersuchungen, deren Ergebnisse kontrovers diskutiert werden. Nachgewiesen werden konnte ein Leck nicht. Greenpeace nimmt aber die bei der Injektion von verschmutztem, ölhaltigen Wasser aufgetretenen Risse und Leckagen in der gleichen geologischen Formation, Utsira genannt, zum Anlass, die Speicherfähigkeit für Kohlendioxid grundsätzlich in Frage zu stellen.
2010 entstand eine Debatte über den oben erwähnten Speicher im kanadischen Weyburn,
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