Abgeschaltet
werden sollte. Es wäre einSegen für die Umwelt, da zudem zwei alte Blöcke für den neuen abgeschaltet würden. Bei 90 Prozent Abscheiderate kämen jedes Jahr sieben Millionen Tonnen Kohlendioxid nicht in die Atmosphäre. Der Neubau wird trotzdem bekämpft. Zu den Gegnern gehörte bis zu seinem Tod auch der hessische Umweltpolitiker Hermann Scheer, einer der Väter der Einspeisevergütung für erneuerbare Energien. Gegen Staudinger 6 führte er nicht nur dessen Auslegung als Grundlastkraftwerk an, womit er einen wunden Punkt traf. Denn für ein Steinkohle-Kraftwerk wäre der neue Block sehr groß – und Größe bedeutet bei thermischen Kraftwerken immer auch eine gewisse Trägheit beim Herauf- oder Herunterfahren der Last. Scheer behauptete aber auch, CCS befände sich in einem frühen Forschungsstadium. Ein Eindruck, den ich nach meinem Besuch nicht mehr teile.
DIE SAUERSTOFFVERBRENNUNG
Alternativ zur nachträglichen CO 2 -Abtrennung wird intensiv an der Sauerstoffverbrennung gearbeitet. Erst einmal ein seltsamer Begriff, ist doch eine Verbrennung per se eine chemische Reaktion eines Elementes mit Sauerstoff, bei der Energie frei wird. Der Unterschied: Bei Oxyfuel-Verfahren wird in einer separaten Einheit aus normaler Umgebungsluft reiner Sauerstoff gemacht. Stickstoff (fast 80 Prozent unserer Atemluft) sowie andere Luftbestandteile kommen erst gar nicht in die Brennkammer. Verbrennt man Kohle mit reinem Sauerstoff, so entstehen nur Kohlendioxid und Wasserdampf. Die Abtrennung von Kohlendioxid ist dann technisch einfach zu bewältigen: Man lässt das Rauchgas abkühlen, der Wasserdampf kondensiert zu Wasser, während das Kohlendioxid gasförmig bleibt. Was nach einem extrem sauberen Verfahren klingt, hat dennoch mehrere Nachteile. Denn zum einen ist die Produktion von Reinsauerstoff selbst energieintensiv, sie kostet das Kraftwerk einschließlich der CO 2 -Komprimierung acht bis zehn Prozentpunkte Gesamteffizienz. Deshalb wird auch hier an neuen Verfahren geforscht. Besonders vielversprechend scheinen Verfahren zu sein, bei denen eine Membran ab 700 Grad Celsius für Sauerstoff durchlässig wird. Zum anderen ist die Verbrennung in der Praxis nicht so sauber wie in der Theorie. Sehr große Kraftwerke mit gewaltigen Brennkesseln sind nicht völlig luftdicht abzuschließen. Selbst bei neuen Kraftwerken treten etwa vier Prozent der Luft durch dieNähte in den Kessel. Und Kohle besteht natürlich auch nicht nur aus reinen Kohlenwasserstoffen. So kann auf eine Entschwefelung des Rauchgases auch weiterhin nicht verzichtet werden.
Aber das Oxyfuel-Verfahren hat sich in ersten Pilotanlagen bewährt. Vattenfall testet im Kraftwerk »Schwarze Pumpe«, einem in der Lausitz gelegenen, riesigen Braunkohlekraftwerk, seit 2009 den Einsatz. Nach mehr als 10000 Betriebsstunden zieht Entwicklungsleiter Dr. Thomas Porsche eine positive Bilanz. Es sei gelungen, mehr als 90 Prozent des Kohlendioxids aufzufangen. Als Konsequenz daraus will man nun erstmals einen kommerziellen Brennkessel mit der Technik ausstatten. 2015 soll im brandenburgischen Jänschwalde einer der Blöcke – ein Neubau – mit reinem Sauerstoff betrieben werden. Ein anderer Kessel wird mit einer Kohlendioxidabscheidung nachgerüstet, so dass man beide Betriebsarten direkt vergleichen kann. Parallel soll die komplette Infrastruktur auch für Transport und Speicherung getestet werden. Letztere trifft in Brandenburg allerdings auf den Widerstand der Bevölkerung. Seit Stuttgart 21 sei es noch schwieriger geworden, sagt Porsche und klingt dabei ein wenig traurig. »Die Menschen sind dagegen.« Dabei hat er ein gutes Argument: Nur 78 Gramm Kohlendioxid wird eine Kilowattstunde Strom aus dem neuen Kraftwerksblock freisetzen. Ein Rekordwert für Braunkohle.
Um den Energiebedarf für die Sauerstoffgewinnung deutlich zu verringern, hat sich Professor Bernd Epple von der Technischen Universität Darmstadt ein neues Verfahren ausgedacht, das er »Chemical Looping«, also Chemiekreislauf, nennt. Es basiert darauf, dass die Umgebungsluft in einem eigenen Reaktor neben der Brennkammer ein Metall oxidiert, sprich dieses Metall einzelne Sauerstoffatome aufnimmt. Transportiert man das so gewonnene Oxid dann in die Brennkammer, verbindet sich der angelieferte Sauerstoff mit Kohlen- und Wasserstoff, es entstehen nur Kohlendioxid und Wasser. Das um ein Sauerstoffatom ärmere Metalloxid wird in den Luftreaktor zurücktransportiert, der Kreislauf kann von Neuem beginnen. Während
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