Abgeschaltet
US-Energieministerium ins Leben gerufen wurde. In Schwung kam die Bewegung vor allem durch den Terrorangriff auf das World Trade Center am 11. September 2001. Eine Renaissance der Nukleartechnik versprach größere Unabhängigkeit. Die Entspannungspolitik war so weit gediehen, dass sich auf Initiative der Präsidenten George Bush und Vladimir Putin im Sommer 2002 führende Wissenschaftler beider Länder in Moskau trafen, um Forschungsschwerpunkte für die Zukunft zu identifizieren. Höchste Priorität habe es, so steht es im Abschlussdokument, dafür zu sorgen, dass Kernkraftwerke nicht dazu beitragen, Terroristen mit Atomwaffen auszustatten. Heute sind insgesamt zwölf Staaten, darunter China und Russland, Mitglieder der Initiative. Deutschland ist ebenfalls an Bord, wenn auch indirekt und daher weitgehend unbemerkt. Denn die Atomforschung wird in der Europäischen Union von der gemeinschaftlich finanzierten Behörde Euratom koordiniert. Die Ziele sind ehrgeizig: Bis 2030 will man Kernkraftwerke zur kommerziellen Reife entwickeln, die alle Probleme dieser Technik minimieren oder ausmerzen. Die Kraftwerke sollen so sicher sein, dass Schutzmaßnahmen außerhalb der Gebäude unnötig werden. Halbwertszeiten und die Toxizität der Abfälle sollen signifikant reduziert werden. Auch will man die Entwendung und Weiterverwendung spaltbaren Materials deutlich erschweren. Um das geeignete technische Konzept zu finden, wurden von einer international besetzten Kommission mehr als 100 Ideen gesichtet und bewertet. Sechs Konzepte überlebten den Auswahlprozess und werden nun international erforscht. Unterscheiden lassen sich die Systeme am einfachsten anhand der zur Kühlung eingesetzten Medien. Darüber hinaus unterscheiden sie sich wesentlich durch die eingesetzten Brennstoffe und das Reaktorkonzept.
In Karlsruhe wird schwerpunktmäßig das Konzept des wassergekühlten Reaktors mit überkritischen Dampfzuständen verfolgt. »Überkritisch« klingt nicht gerade vertrauenserweckend. Gemeint ist aber nicht »knapp am GAU vorbei«, sondern ein Fachbegriff der Thermodynamik. Erhöht man Druck und Temperatur bei Wasserdampf immer weiter, dann verschwinden bei mehr als 374 Grad Celsius und 221 bar die Grenzen zwischen gasförmiger und flüssiger Phase, die eigentlich den Dampf charakterisieren. Das entstehende Gas führt die Wärme aus dem Reaktor ab und treibt die Turbine direkt an. Das Konzept ist heutigen Siedewasserreaktoren recht ähnlich, die Vorteile liegen vor allem im deutlich höheren thermischen Wirkungsgrad und im geringeren Kühlwasserbedarf (da mit der gleichen Menge Wasser mehr Wärme abgeführt werden kann).
Einige der Generation-IV-Konzepte sind schnelle Reaktoren, im Volksmund auch »schnelle Brüter« genannt. Sie heißen so, weil die meisten Neutronen, die bei jeder Kernspaltung neu entstehen, eigentlich viel zu schnell sind und künstlich abgebremst werden müssen, um weitere Uran-235-Atome zu spalten. Die Kerntechniker sprechen von Moderation, wenn sie aus schnellen Neutronen langsame machen. Trifft das Neutron mit hoher Geschwindigkeit auf ein Uran-238-Atom, den Hauptbestandteil des Kernbrennstabes, so wird es wahrscheinlich absorbiert und ist dann Teil eines neuen Atoms: Plutonium-239. Dieses Material, gefürchtet und genutzt wegen seiner hohen Energiedichte, dient schnellen Reaktoren wieder als Brennstoff. Sie erbrüten also ihren Brennstoff selbst und verlängern die Reichweite des Natururans um etwa den Faktor 60, so dass für die kommenden Jahrhunderte keinerlei Knappheit zu befürchten wäre.
Wirklich neu ist die Idee des schnellen Brüters allerdings nicht:Was innerhalb des Generation-IV-Programms als zukünftiger natriumgekühlter Reaktor verkauft wird, erinnert sehr an Projekte aus den siebziger Jahren, vor allem an den sieben Milliarden teuren Reaktor in Kalkar, der zwar 1985 fertiggestellt, aber nie in Betrieb genommen wurde. Ins Aus geschickt wurde er, weil sich niemand der technischen und der politischen Risiken aussetzen wollte, die ein konsequenter Aufbau einer Plutonium-Wirtschaft bedeutet hätte. Auch in Karlsruhe gab es einen Forschungsreaktor, der seit 1991 stillgelegt ist. Der Rückbau läuft noch. »Wenn wir das noch stehen hätten, wäre das Generation vier«, bestätigt Schulenberg. Verfolgt wird das Konzept heute von einem japanischen Hersteller, der damit sehr kleine Kraftwerke in entlegenen Gegenden wie Alaska bauen will. Als nukleare Batterie soll ein Natrium-Reaktor mit 20 Megawatt
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