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In schnellen Reaktoren kann man Wasser nicht als Kühlmittel einsetzen, es würde Neutronen zu stark abbremsen. Deshalb kommt zum Beispiel Natrium zum Einsatz: ein Metall, das bereits bei 98 Grad Celsius schmilzt. Und Wärme sehr gut aufnehmen kann. Eigentlich ein perfektes Kühlmittel für heiße Anlagen. Wenn es nicht so hoch reaktiv wäre. Käme es bei mehr als 500 Grad Celsius mit Luft in Berührung, würde es spontan zu brennen anfangen. Im Forschungskraftwerk Phénix in der Nähe von Avignon soll es 33-mal gebrannt haben, glücklicherweise ohne Folgen. Die Forscher beschäftigen sich daher insbesondere mit der Frage, wie man Reparaturen und Inspektionen vermeiden kann – denn einfach aufmachen funktioniert ja nicht, sonst käme das Natrium mit Luft in Berührung. Alternativ werden bei der vierten Generation blei- und heliumgekühlte schnelle Reaktoren untersucht.
Blei hat nicht nur den Vorteil, dass es nicht brennbar ist, es weist darüber hinaus eine hohe thermische Trägheit auf – sprich, es erhitzt sich nur langsam, falls die Kühlung ausfällt. Bleigekühlte Reaktoren sind ebenfalls nichts grundsätzlich Neues, sie wurden im 20. Jahrhundert in russischen U-Booten verbaut. Kein Wunder also, dass russische Wissenschaftler heute wieder an diesem Konzept arbeiten. Bislang werden Blei-Wismuth-Verbindungen als Kühlmittel genutzt, künftig soll auf Basis von reinem Blei gearbeitet werden. Auch hier besteht die Idee, einen langzeitstabilen Reaktorkern als »Batterie« zu bauen, der Austausch von Brennstäben ist nicht vorgesehen. Ein wesentliches Problem bei Blei ist allerdings, dass es gegenüber Stahl korrosiv wirkt.
Auch die gasgekühlten Reaktoren, die in der Generation-IV-Initiative als Zukunftskraftwerke gehandelt werden, sind aus deutscherSicht gute alte Bekannte: Der nach nur sechsjährigem Betrieb abgeschaltete Kugelhaufenreaktor in Hamm-Uentrop kühlte mit Helium. Die von dem deutschen Physiker Rudolf Schulten erdachte Bauform galt einst als revolutionär: Als Brennstoff wird Thorium eingesetzt, das in der Natur deutlich häufiger vorkommt als Uran. Verpackt in tennisballgroße Graphitkugeln, durchläuft der Brennstoff den Reaktor portionsweise. Im Reaktor befinden sich mehr als 600000 Brennstoffkugeln, von denen jeden Tag etwa 600 ausgetauscht werden. Eine Kernschmelze ist auszuschließen. Das Edelgas Helium lässt sich sehr hoch erhitzen und erhöht den thermischen Wirkungsgrad des Kraftwerks gegenüber Leichtwasserreaktoren um 50 Prozent. Leider zeigte sich in der Praxis, dass auch dieses Reaktorkonzept Probleme mit sich brachte. So wurden die im Reaktorkern gehäuften Kugeln weitaus öfter mechanisch beschädigt als vorausberechnet. Als am 4. Mai 1986, wenige Tage nach Tschernobyl, eine geringe Menge Radioaktivität austrat, wurde das Ende des Konzepts eingeleitet. »Was den Störfall zum Skandal machte, war der Versuch des Betriebs, alles zu vertuschen«, schrieb der Spiegel. 1989 kam das endgültige Aus in Deutschland. Südafrika hatte im vergangenen Jahrzehnt das Konzept weiterentwickelt, aber schließlich eingestellt. Am aktivsten scheint man das Kugelhaufenprinzip in China zu verfolgen, dort wird zumindest ein Forschungsreaktor betrieben.
Die Forschung an der vierten Generation greift das Grundkonzept des Helium-Hochtemperaturreaktors in zwei Varianten wieder auf, die beide als Kugelhaufenreaktoren ausgeführt werden können, aber nicht müssen. Angedacht ist ein schneller Reaktor, der nicht mehr mit Thorium, sondern mit Uran und Plutonium arbeitet. Und außerdem ein Höchsttemperaturreaktor, bei dem das Helium auf mehr als 1000 Grad Celsius erhitzt wird. Der Höchsttemperaturreaktor könnte Wasserstoff aus Wärme statt aus Strom herstellen. Allerdings: Eine Wasserstoffproduktionsanlage ist per se hochgradig explosionsgefährdet – ob es da Sinn macht, sie direkt neben ein Kernkraftwerk zu stellen?
Bleiben noch die Salzschmelze-Reaktoren, das letzte der sechs Konzepte. Die Idee stammt aus den fünfziger Jahren: Man wollte sie als Antriebsquelle in Flugzeugen einsetzen, die damit beliebig lange in der Luft bleiben sollten. »Gott sei Dank hat man das nie gebaut«, sagt sogar Schulenberg. Der Brennstoff wird bei diesem Konzept einem Gemisch aus flüssigen Fluorverbindungen beigefügt, das gleichzeitig als Kühlmittel dient. Damit der Reaktor weiterarbeitet, muss dem Kühlmittel ständig neues Uran- oder Plutoniumfluoridzugeführt
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