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Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Titel: Abgeschnitten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek , Michael Tsokos
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schrecklichen Ungewissheit, was ihrem Mann zugestoßen war. Für Linda war der Tote ein Unbekannter, für Clemens ein Problem; aber für jemand anderen war dieser Mann ein geliebter Mensch, der fehlte. Dieser Gedanke hatte sie schon gestern beschäftigt, und aus diesem Grund hatte sie sich in einem einzigen Punkt nicht an die Anweisungen ihres Bruders gehalten. Clemens hatte ihr geradezu befohlen, die Leiche unter gar keinen Umständen anzufassen. Doch wenn sie schon gegen ihre Gefühle handelte und den Mann einfach so, wie Treibgut, zurückließ, wollte sie wenigstens wissen,
wen
sie im Stich gelassen hatte. Vielleicht hatte Clemens ja recht. Vielleicht war es besser, jemand anderes würde den Leichnam finden. Aber vielleicht konnte man die Entdeckung ja etwas beschleunigen, wenn sie seine Identität kannte? Allein deshalb hatte Linda gestern die kleine Herrenhandtasche an sich genommen, die nur wenige Meter neben dem Toten auf der Uferschutzmauer gelegen hatte. Bis jetzt allerdings hatte sie es noch nicht gewagt, einen Blick hineinzuwerfen.
    Sie drehte sich um.
    Das vom Wasser fleckige Lederetui mit der braunen Schlaufe stand noch immer unberührt auf ihrem Zeichentisch.
    Also schön, worauf wartest du noch?
    Linda näherte sich, immer noch unschlüssig, ob sie es wagen sollte, die Tasche zu öffnen. Gestern hatte sie einen Stock durch die Handschlaufe geschoben und sie so ins Haus tragen können, ohne sie anfassen zu müssen.
    Und jetzt?
    Sie seufzte und zog ein Paar Handschuhe aus den Taschen ihrer Outdoorjacke, die über der Stuhllehne hing.
    Wenn sie Fingerabdrücke vermeiden wollte, blieb ihr nichts anderes übrig, als die dicken Fellfäustlinge überzuziehen. Dünnere Fingerhandschuhe hatte sie nicht mitgenommen, weshalb sie jetzt schon am Reißverschluss zu scheitern drohte. Sie benötigte mehrere Anläufe, dann hatte sie es geschafft. Die Tasche war offen.
    Sie hatte sich leicht angefühlt. Und tatsächlich war sie bis auf ein Handy völlig leer. Keine Brieftasche, keine Schlüssel, keine Dokumente.
    Linda nahm das Mobiltelefon vorsichtig heraus und legte es auf ihren Schreibtisch. Das Display leuchtete in einem fluoreszierenden Grün und zeigte vier Anrufe in Abwesenheit.
    Zudem blinkte in der linken, oberen Ecke das Symbol einer durchgestrichenen Glocke.
    Auf stumm geschaltet. Kein Wunder, dass ich die Anrufe nicht hören konnte.
    Linda drehte die Handtasche mit der Öffnung nach unten, schüttelte sie heftig, aber es fielen keine weiteren Gegenstände heraus.
    Also gut, dann wollen wir mal das Ding hier in Augenschein nehmen.
    Das Handy war ein pinkfarbenes Modell mit großem Display, das eher zu einem jungen Mädchen als zu einem älteren Mann passte. Sie streifte die Handschuhe wieder ab, griff nach einem Bleistift und drückte mit dem stumpfen Ende auf die Menütaste.
    Interessant.
    Alle vier Anrufe kamen von derselben Mobilfunknummer. Der erste war vor einer halben Stunde eingegangen. Drei weitere vor wenigen Minuten, alle im kurzen Abstand. Im SMS -Menü fand Linda einen Hinweis, dass keine Nachrichten auf der Mailbox hinterlassen worden waren.
    Sie notierte sich die Nummer auf ihrem Zeichenblock und sprang zum Hauptmenü zurück. Hier machte sie eine weitere, sehr merkwürdige Entdeckung: Die vier verpassten Anrufe waren die einzigen Anrufe, die überhaupt gespeichert waren. Auch schien der Besitzer selbst nicht damit telefoniert zu haben. Oder er hatte den gesamten Rufnummernverlauf kurz vor seinem Tod gelöscht, was möglich, aber ungewöhnlich war.
    Linda legte den Bleistift zur Seite und dachte nach. Sie war wie elektrisiert, doch anders als die Anspannung der letzten Stunden war diese hier von einer belebenden Qualität. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte sie das Gefühl, etwas Konstruktives zu tun. Die Identität des Mannes zu klären lag ihrer aktiv veranlagten Natur viel mehr, als sich wie ein ängstliches Häschen vor einer unbekannten Gefahr zu verkriechen.
    Also weiter.
    Linda zog das Handy hervor, das Clemens ihr besorgt hatte und dessen Nummer nur ihrem Bruder bekannt war. Sie überprüfte noch einmal, ob die Rufnummernunterdrückung aktiviert war. Dann wählte sie die Nummer des Teilnehmers, der vor kurzem nicht weniger als viermal versucht hatte, den Toten am Strand zu erreichen.
    Beim ersten Läuten hielt sie die Luft an, was das Gefühl, ihr Herz würde zerspringen, noch einmal verstärkte. Schon beim dritten Läuten war sie völlig außer Atem und sog gierig die Luft ein. Beim

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