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Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Titel: Abgeschnitten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek , Michael Tsokos
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wie bei einem Koffer einmal vollständig um den verhüllten Körper herum lief. Als der Sack in zwei Hälften geteilt war, entfernte sie mit einem Ruck die obere davon und schloss die Augen, was ein Fehler war, denn dadurch waren ihre restlichen Sinne noch empfänglicher für äußere Reize.
    »Großer Gott«, hustete Ender.
    Sie öffnete die Augen und stellte fest, dass der Anblick der Leiche um einiges erträglicher war als der Gestank. Auf den ersten Blick wirkte der Tote wie eine gut gestaltete, aber unrealistische Wachsfigur. Entseelt und viel zu unwirklich, um sich vor ihr zu fürchten.
    Keine Schuhe!
    Linda vermied es, dem Toten ins Gesicht zu sehen, daher war ihr Blick zunächst auf die Füße des Mannes gefallen, dessen Nägel schlecht geschnitten und am großen Zeh eingewachsen waren. Der Tote trug eine grobe Cordhose, die weiten Hosenbeine waren bis zu den Knien hochgerutscht.
    Wie Streichhölzer,
musste Linda bei dem Anblick der dürren, stark behaarten Unterschenkel denken. Sie fragte sich, wie es möglich war, dass diese Hühnerbeinchen den gewaltigen Oberkörper des Toten durchs Leben getragen hatten. Auch wenn die Leichenfäulnis sicher einiges dazu beigetragen hatte, war sie sich nicht sicher, ob das die einzige Ursache für den enormen, aufgeblähten Bauch des Toten sein konnte, dessen Scheitelpunkt beinahe über dem seines Gesichts lag.
    Über dem T-Shirt mit aufgekritzeltem Erik-Schriftzug trug er weder Pulli oder Jacke noch sonst ein dem Winter angemessenes Kleidungsstück. Schließlich zwang Linda sich, den Kopf in Augenschein zu nehmen, und war erleichtert, dass der Tote die Augen geschlossen hatte. Der Mund hingegen stand einen kleinen Spalt offen, was dem aufgedunsenen Gesicht so etwas wie einen erstaunten Ausdruck verlieh. Zwei obere, nikotingelbe Schneidezähne lagen frei.
    »Schildern Sie mir bitte alles, was Sie sehen«, forderte Herzfeld. Linda war froh, dass er sie nicht gebeten hatte, den Leichengeruch zu beschreiben, denn das wäre um einiges schwieriger gewesen. Von allen widerwärtigen Gerüchen war dieser der schlimmste, den sie je erlebt hatte. Dabei war der Gestank lange nicht so erdrückend und intensiv wie etwa der einer verstopften öffentlichen Toilette im Hochsommer. Dennoch war er allgegenwärtig und
… und süß?
    Der Duft setzte sich aus zwei Komponenten zusammen, die nicht zusammengehörten. Wie ein billiges Raumdeo in einer vielbesuchten Tankstellentoilette.
    Linda versuchte, durch den Mund zu atmen, konnte aber auch dadurch nicht verhindern, dass ihr Magen rebellierte. Sie begann stockend, ihre ersten Eindrücke wiederzugeben.
    »Kommt Ihnen der Tote bekannt vor?«, fragte Herzfeld am Ende ihrer Ausführungen.
    »Nein. Ich habe ihn noch nie in meinem Leben gesehen.«
    Wenn das Klischee stimmte und viele Herrchen ihren Hunden ähnlich sahen, dann musste dem Mann auf dem Seziertisch ein Bernhardiner gehören: quadratischer Schädel, dichter, fast fellartiger Haarwuchs und eine klobige Nase, deren Löcher mit sekretverschmiertem Sand verstopft waren. Linda hätte nicht einmal zu raten vermocht, ob der Mann ein liebender Familienvater oder ein griesgrämiger Single gewesen war. Ob er das Radio zu klassischer oder zu Rockmusik aufgedreht hatte und welche Partei er wählte. Die Hände waren grob und schwielig und die Daumennägel so groß wie Briefmarken, was auf körperliche Arbeit hindeutete. Die blassbraunen Schläfen waren ausrasiert, der Nacken erst kürzlich geschnitten, also leistete er sich einen Frisör, aber was sagte das schon über einen Menschen aus? Er hatte sicher nicht viel Sport getrieben, gut und viel gegessen, sonst wäre das Doppelkinn nicht so ausgeprägt gewesen wie sein gesamter Oberkörper.
    Herzfeld meldete sich wieder zu Wort: »Ich brauche ein vollständiges Bild, das bedeutet, Sie müssen ihn komplett aus dem Leichensack heben.«
    »Der Kerl wiegt hundertzwanzig Kilo, mindestens. Das ist unmöglich.«
    »Ist Ender noch in der Nähe?«
    »Ja,
noch …
«, antwortete der Hausmeister von der Tür her. »Aber nicht mehr lange.«
    »Quatsch nicht und pack mit an. Oder willst du als Weichei dastehen?«
    »Du weißt, ich kann kein Blut sehen«, sagte Ender, machte aber erste Anstalten, sich dem Tisch zu nähern. Herzfelds Appell an seine Macho-Gene schien zu wirken.
    »Du musst die Leiche nur auf die Seite drehen, damit Linda den unteren Teil des Sacks entfernen kann.«
    »Alter, dafür schuldest
du
mir jetzt was.« Ender griff sich das gleiche Paar

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