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Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Titel: Abgeschnitten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek , Michael Tsokos
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aus dem arktischen Windkanal herauskamen. Noch lag das Bootshaus etwa zehn Meter vor ihnen und damit in unerreichbarer Ferne.
    Niemals zuvor hatte Herzfeld Kälte so sehr als Schmerz empfunden, jetzt verstand er die Berichte über Bergsteiger, die nur wenige Schritte vor dem Basislager im Schnee erfroren waren. Er sah die Holzhütte, wusste, dass der Schutz in greifbarer Nähe lag, und dennoch hatte er das schier übermächtige Verlangen, sich einfach auf den Boden zu legen und seinem Schicksal zu ergeben.
    »…aaafen.«
    »Was?«
    Ingolf stöhnte müde etwas, was sich wie »schlafen« angehört hatte, aber da mochte Herzfeld sich geirrt haben.
    »Nicht aufgeben!«, stieß er hervor. Auch wenn ihn jedes Wort zusätzliche Kraftreserven kostete, musste er Ingolf wach halten. Sonst wären alle Anstrengungen vergebens gewesen. Er durfte nicht wegdämmern.
    Nicht jetzt. Nicht, da wir schon so weit gekommen sind.
    Der Praktikant war schon vollständig unter dem Eis verschwunden und damit eigentlich verloren gewesen, hätte Herzfeld ihn nicht in letzter Sekunde an einem Schuh zu packen bekommen, just in dem Moment, in dem er sich zur Seite hatte drehen wollen, um mit der anderen Hand den Hosengürtel zu lösen.
    Meinen Gürtel, wieso hab ich da nicht früher dran gedacht?
    In der Schocksituation am Eisloch hatte Herzfeld überlegt, wie er an eine Spitzhacke, eine Leiter oder einen Ast gelangen könnte, und dabei die Rettungsleine, die er um die Hüfte trug, beinahe vergessen.
    Irgendwie war es ihm am Ende nicht nur gelungen, den Gürtel aus den Schlaufen zu ziehen, ohne Ingolf dabei loszulassen, er hatte es zudem geschafft, ihn um den Knöchel des Ertrinkenden zu schlingen. Von da ab musste alles rasend schnell gegangen sein. So schnell, dass sich Herzfeld nicht mehr an jeden einzelnen Handlungsschritt erinnern konnte, der letztlich dazu geführt hatte, dass Ingolf, nach Atem ringend wie ein angeschossenes Tier, in verkrümmter Körperhaltung neben ihm auf der Eisfläche gelegen hatte.
    Ganz offensichtlich hatte das Eis den Rettungsversuch überstanden, wobei Herzfeld zu der dem Ufer abgewandten Seite des Loches hatte kriechen müssen, damit der Gürtel wie eine natürliche Verlängerung von Ingolfs Bein funktionieren konnte, mit deren Hilfe er den Praktikanten dann bäuchlings über die Bruchkante gezogen hatte.
    »Gleich da«, keuchte Herzfeld, und tatsächlich hätte es unter normalen Umständen keine drei Sekunden mehr gedauert. Ihm wurde schwarz vor Augen, seine eingefrorenen, nach Wärme und Entlastung schreienden Muskeln versagten ihm den Dienst und brachten ihn nur wenige Schritte auf den letzten, abschüssigen Metern vor dem Schuppen ins Straucheln. Allein die Tatsache, dass sie die Tür vorhin angelehnt gelassen hatten, verhinderte das Schlimmste. Sonst wären er und Ingolf vor dem Eingang zusammengebrochen, so aber stolperten sie in das Bootshaus hinein, wie ein Liebespaar, das es nicht mehr abwarten kann, und fielen gemeinsam zu Boden.
    Geschafft. Fast.
    Die plötzliche Windstille war eine Erlösung. Kein Rauschen im Ohr, keine Krallen mehr, die sich in die Haut schlugen, und, dem Radiator sei Dank, eine Zimmertemperatur knapp über dem Gefrierpunkt. Dafür lag Ingolf wie ein nasser Sack quer auf ihm und drückte ihm die Luft aus den Lungen.
    Herzfeld glaubte nicht, zu größeren Kraftanstrengungen noch in der Lage zu sein, aber schließlich hatte er keine Wahl, als sich unter dem Praktikanten wegzudrehen, wenn sie überleben wollten. Vor allem Ingolf musste so rasch wie möglich raus aus seiner nassen Kleidung, sonst wäre eine Lungenentzündung noch das Harmloseste, was ihm blühte.
    Herzfeld verharrte eine Weile, auf Handballen und Knien abgestützt, und versuchte, sich in dieser Position zu sammeln.
    Seine Zähne klapperten mit unverminderter Lautstärke, und die Schmerzen in den Muskeln waren durch den Temperaturanstieg eher schlimmer als besser geworden, denn jetzt begann langsam das Blut wieder zu zirkulieren, und das fühlte sich an, als krabbelte ein Ameisenschwarm durch seine Adern.
    Als die Blitze vor den Augen nachließen und seine Atmung sich wieder etwas beruhigt hatte, griff er nach dem Stromkabel des Ölradiators und zog die Heizung, so gut es ging, näher zu sich heran. Sobald das Gerät in Reichweite war, stellte er das Gebläse auf die höchste Stufe und schob es zu Ingolf, der aussah, als kämpfte er gegen einen epileptischen Anfall an. Er zitterte am ganzen Körper.
    »Wir müssen wieder

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