Abgeschnitten: Thriller (German Edition)
getrieben hatte.«
Das also war Methode und Ziel des Sadisten,
dachte Herzfeld. Im Grunde war Sadler eine feige Sau. Sicher würde man in seiner Vergangenheit auf eine Reihe von Misshandlungen und Demütigungen stoßen, und ganz bestimmt hielt der Triebtäter sich selbst schon seit seiner Kindheit für genau das Stück Scheiße, das er war. Nur in den wenigen Sekunden, in denen er die Macht spürte, die er über das Leben anderer Personen hatte, entwickelte er ein eigenes Selbstwertgefühl und fühlte sich mächtig. Und weil diese Sekunden so selten waren, war er dazu übergegangen, sie auf Film festzuhalten.
Großer Gott. Kein Wunder, dass Schwintowski durchgedreht war und nach Rache gegen jeden dürstete, der auch nur entfernt etwas mit dem bestialischen Mord an seiner Tochter zu tun hatte. Töven und Sadler hatte er gemeinsam mit Martinek schon ausgeschaltet.
Und jetzt bin ich an der Reihe. Nur, dass er mich nicht töten, sondern leiden lassen will. Er will es mir mit gleicher Münze heimzahlen.
Herzfeld wurde übel bei dem Gedanken, wie unwahrscheinlich es war, dass zwei Väter, die ihre Töchter verloren hatten, Hannah am Leben lassen würden.
Im nächsten Moment wurde es Herzfeld endgültig unheimlich, da es wieder den Anschein hatte, als könnte Schwintowski Gedanken lesen: »Ich weiß, Sie sind im Grunde kein schlechter Mensch, Herr Professor. Sie haben meine Tochter weder geschändet noch ein mildes Urteil gefällt. Mein Rachedurst bezog sich anfangs nur auf die Richterin. Und natürlich auf Sadler, dem ich noch an Ort und Stelle die Zunge herausgeschnitten habe, mit der er Rebecca …« Schwintowskis Stimme brach erneut, und es gelang ihm nicht, das Unaussprechliche zu formulieren.
… mit der er sie ableckte, bevor er sie vergewaltigte.
»Im ersten Impuls wollte ich Sadler zu Tode foltern und die Richterin von meinen Leuten erledigen lassen. Aber dann machte Martinek mir klar, dass es hier nicht nur um uns geht.«
Er lehnte sich müde im Stuhl zurück, und Herzfeld richtete sein Augenmerk zum ersten Mal auf den Raum, in dem Schwintowski sich befand. Den braunen Holzstreben nach war er auf einem leeren Dachboden. Seitlich von ihm musste ein kleines Fenster sein, durch das das nötige Licht für die Aufzeichnung fiel.
»Es geht um das gesamte System, das Opfer zu Tätern macht«, erklärte Schwintowski. »Um die Polizei, die viel zu überlastet ist, um bei jeder Vermisstenanzeige eine Suchaktion zu starten. Es geht um Gerichte, die Steuersünder härter abstrafen als Kinderschänder. Um Psychologen, die Freigang für Vergewaltiger empfehlen, sobald sie ein Trauma in ihrer Kindheit entdecken, während man mich für meine illegalen Casinos am liebsten in eine Einzelzelle sperren würde. Und natürlich geht es um einen rechtsmedizinischen Apparat als Teil eines sogenannten Rechtsstaats, der am Ende nur den Tätern nützt und die Opfer ein zweites Mal bestraft.«
Schwintowski kniff die Augen zusammen und hob mahnend den wulstigen Zeigefinger. »Wir haben abgewartet, bis Sadlers Verletzung abgeheilt war. Martinek hat ihm den Zungenstumpf zugenäht, damit das Schwein uns nicht verblutet. Und danach, als er wieder gesund war, haben wir ihn die Drecksarbeit machen lassen.«
Also hat Sadler die Leichen verstümmelt? Die Richterin gepfählt?
Herzfeld fragte sich, wie sie die Bestie dazu zwingen konnten, und fand selbst die Antwort: Sie hatten ihm Hannah als Gegenleistung versprochen. Jetzt war er es, dem die Tränen in die Augen schossen.
»Zugegeben, die Schnitzeljagd, die Sie zu Ihrer Tochter führt, mag grausam sein. Aber die Hinweise stecken in den Körpern der Menschen, die den Tod verdient haben. Sie haben immerhin noch eine kleine Chance, Ihre Tochter zu retten. Unsere Familien hingegen haben schon alles verloren, wofür es sich zu leben lohnt.«
Daher der Suizid von Schwintowskis Frau.
Es stimmte also tatsächlich: Sybille Schwintowski war weder zu der Einnahme der Tabletten noch zu ihrem Abschiedsvideo gezwungen worden, das die Spurensicherung in dem Penthouse gefunden hatte.
»So, nun sind Sie fast am Ende Ihres Erkenntniswegs, Herr Herzfeld. Ich könnte Ihnen jetzt natürlich verraten, wo wir Ihre Tochter versteckt halten. Aber ganz so einfach will ich es Ihnen nicht machen. Wie gesagt, nach allem, was ich recherchiert habe, sind Sie ein guter Mensch. Aber auch gute Menschen machen Fehler, und für die müssen Sie einstehen.«
Er wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
»Ich bin
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