Abgeschnitten: Thriller (German Edition)
nicht so geartet wie Sven. Theatralik liegt mir nicht. Daher werde ich Ihnen den letzten Tipp mündlich geben: Wir haben Hannah mit Sadler alleine gelassen.«
Oh Gott.
In Herzfelds Innerstem öffnete sich eine dunkle Tür.
»Folgen Sie dem weißen Licht von Alcatraz, wenn Sie sie finden wollen.«
»Was zum Teufel meint er damit?«, fragte Ingolf, dessen Anwesenheit Herzfeld vollkommen vergessen hatte.
»Ich an Ihrer Stelle würde mich beeilen, wenn Sie Hannah nicht für immer verlieren wollen.« Das waren Schwintowskis letzte Worte. Er stand auf. Erst verschwand sein Kopf aus dem Blickfeld der Kamera. Als Nächstes sah man nur noch seine Beine, denn er war auf den Stuhl geklettert, auf dem er die ganze Zeit gesessen hatte.
»Nein«, schrien Herzfeld und Ingolf gleichzeitig, da hatte Schwintowski den Stuhl bereits mit einem Bein nach hinten weggetreten.
Seine Frau hatte Tabletten gewählt. Martinek eine Pistole. Schwintowski einen Strick.
Herzfeld zuckte zusammen, als er sah, wie Schwintowskis an dem Seil hängender Körper wild zu zucken begann, so lange, bis die um seinen Hals zugezogene Schlinge die Blutzufuhr zum Gehirn vollständig unterbrochen hatte. Und während Herzfeld starr vor Entsetzen auf die vor der Kamera baumelnden Füße blickte, wurde ihm bewusst, dass mit Philipp Schwintowski der letzte Mensch gestorben war, der ihn zu dem Versteck seiner Tochter hätte führen können.
51. Kapitel
»
W
ir haben Hannah mit Sadler alleine gelassen.«
Herzfeld wusste, diese Worte würden ihn ewig verfolgen, wenn es ihm nicht gelang, Schwintowskis letztes Rätsel zu lösen. Eigentlich hätte er erleichtert sein müssen, denn Sadler lag tot auf dem Seziertisch in der Pathologie der Inselklinik, was bedeutete, dass Hannah nicht länger in seiner Gewalt sein konnte. Aber möglicherweise hieß das nur, dass es für sie längst zu spät war. Und selbst wenn Hannah es bis jetzt gelungen war, das Martyrium des sadistischen Triebtäters zu überleben, befand sie sich momentan in einem Verlies, allein und ohne ihre lebenswichtigen Medikamente.
»Folgen Sie dem weißen Licht von Alcatraz.«
»Ich nehme mal an, er meint damit nicht die Gefängnisinsel vor San Francisco?«, mutmaßte Ingolf.
»Nein, das war vermutlich nur ein Hinweis auf ein Gefängnis auf einer Insel. Sehr wahrscheinlich läuft alles auf Helgoland zusammen.«
Bereits vor einigen Minuten hatte Herzfeld den Umzugsunternehmer in den Tod springen sehen, und noch immer konnte er sich nicht von dem Anblick der langsam hin- und herpendelnden Füße lösen. Laut dem Ladebalken am Bildschirmrand dauerte die Aufzeichnung noch eine knappe Dreiviertelstunde an.
Obwohl Herzfeld am liebsten die gesamte Zeit über in dem Bauwagen verharrt wäre, um herauszufinden, ob sich brauchbare Hinweise auf dem Band versteckt hielten, wusste er doch, dass ihnen dafür nicht die Zeit blieb.
Wir haben keine vierzig Minuten, um das Video zu Ende zu schauen. Verdammt, uns bleiben nicht einmal mehr vierzig Minuten, um auf die Insel zu kommen.
Er wollte das Video stoppen, als ihn ein letzter Blick auf den Timecode davon abhielt.
»Was haben Sie?«
»Etwas stimmt hier nicht«, flüsterte Herzfeld. Er berührte den Touchscreen.
Das Bild fror ein, und er deutete auf die linke untere Ecke des Monitors.
»Was soll da sein?«, fragte Ingolf, während er sich den Nacken rieb. Um überhaupt etwas erkennen zu können, musste der hochgewachsene Praktikant sich wieder zu dem kleinen Kamerabildschirm bücken.
»Laut diesem Timecode hier hat Schwintowski sich bereits vor drei Tagen umgebracht. Die letzte Fähre ging vorgestern. Spätestens seitdem muss Martinek also auf dem Festland gewesen sein.«
»Wann wurde Sadlers Leiche auf Helgoland gefunden?«, fragte Ingolf.
»Linda hat sie gestern am Ufer entdeckt, das heißt aber nicht, dass sie dort nicht schon länger gelegen haben könnte.«
»Schön, Schwintowski hat Sadler alias Erik dort deponiert. Das war vor drei Tagen, kurz bevor er sich erhängte.« Ingolf zog argwöhnisch die Augenbrauen zusammen. »Aber was geschah in der Zwischenzeit?«
Der Professor nickte. »Gute Frage! Wer hat Ender gerade eben erst das Messer in den Hals gerammt, wenn Sadler und Schwintowski nicht mehr leben und Martinek nicht auf der Insel war?«
»Sie meinen …?«
»Ja. Es muss noch einen dritten Mittäter geben.«
Herzfeld berührte erneut den Bildschirm und spulte die Aufnahme zu der Stelle zurück, an der Schwintowski seinen Stuhl
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