Abgründe der Leidenschaft
einen Freund hat, habe ich dich vorgeschlagen. Einmal musst du es ja ausprobieren. Ich hoffe, dass es in Ordnung war, ihm deine Nummer zu geben?«
»Oh, sicher war es das. Er hat eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen. Und jetzt bin ich aufgeregt und ein bisschen ängstlich. Was ist, wenn ich nicht gut genug bin? Was ist, wenn er für sein Geld nicht bekommt, was er verdient?«
»Das wird er. Ich nehme an, ihr beide habt euch unterhalten und du fühlst dich wohl mit ihm?«
»Selbstverständlich. Er klingt nett, und er war noch nie mit einer … mit jemandem wie mir zusammen.« Sie lachte leise. »Ich glaube, er ist noch viel nervöser als ich.«
»Das ist er wahrscheinlich. Du wärst überrascht, wenn du wüsstest, wie unsicher manche Männer werden. Aber es kann die Vorfreude auch steigern.«
»Ich weiß. Ein Teil von mir ist so gespannt, dass ich kommen könnte, wenn jemand mich nur schief ansieht. Der andere Teil dagegen macht sich Sorgen.«
»Es wird schon alles gutgehen. Und wenn du dich bei irgendetwas unbehaglich fühlst, sag es ihm einfach. Wenn er dann trotzdem auf seiner Fantasie beharrt, gib ihm sein Geld zurück und verabschiede dich.«
»Er sagt, dass er mein Album sehen will. Offensichtlich weiß er über dein Album Bescheid.«
Ronnie kuschelte sich tiefer unter ihre Bettdecke. Sie hatte nackt im Bett gelegen und ferngesehen. Jetzt glitt sie über das Satinlaken und spürte den glatten Stoff auf ihrer Haut. Über Sex zu reden machte sie jedes Mal unglaublich an. »Ist dein Album denn schon fertig?«
»Ich habe mich gestern mit Tim getroffen, und wir haben die Fotos angeschaut, die er gemacht hat. Er hat tolle Arbeit geleistet. Einige der Bilder haben mich selbst sogar heißgemacht. Ich habe ein Album gekauft. Es ist aus schwarzem Leder.«
»Großartig. Satin und Leder.«
»Max hat gesagt, dass er sich auf einen kreativen Abend freut. Wie bringst du das Gespräch auf die Fantasien?«
»Das ist jedes Mal anders«, erwiderte Ronnie. »Einige Männer wollen einfach nur vögeln und man braucht das Album nicht. Die meisten Männer, die mich anrufen und die dich anrufen werden, sind von jemand anders empfohlen worden – von jemandem, der die Fantasien schon genossen hat, die ich kreiert habe. Seien wir ehrlich. Ich bin teuer und du wirst auch teuer sein. Jemand, der nur gewöhnlichen Sex will, kann das für weniger Geld bekommen. Also wollen unsere Freunde oder Kunden, wie du sie nennst, etwas Außergewöhnliches, etwas, das sie zu Hause nicht bekommen. Ich glaube, dass der Begriff ›kreativ‹ es trifft.«
Carla verlagerte den Telefonhörer auf ihrer Schulter in eine etwas bequemere Position. »Aber wie genau soll ich das Thema zur Sprache bringen? Ich kann wohl kaum sagen: ›Willst du mit mir eine Geschichte spielen?‹, oder?«
»Das musst du vielleicht gar nicht. Meistens wissen die neuen Freunde von ihren Bekannten, die sie empfohlen haben, schon von deinem Album. Möglicherweise haben sie sich sogar schon für eine Fantasie entschieden. Andere haben vielleicht noch nie über Rollenspiele nachgedacht, und mit diesen Männern macht es mir am meisten Spaß. Wenn man erst einmal die anfängliche Scheu eines Mannes überwunden hat, kann ein Rollenspiel der sinnlichste Stimulator sein, den es gibt. Sie gehen aus sich heraus. Sie können alles tun, mit jedem, und niemand verurteilt oder zensiert sie.«
»Du hast mir noch immer keine Antwort auf meine Frage gegeben. Wie fängt man die ganze Sache an?«
»Also gut. Ich erzähle dir von dem ersten Mann, mit dem ich gespielt habe, nachdem ich mein Album zusammengestellt hatte.« Ronnie nahm den Hörer an das andere Ohr, lehnte sich zurück, starrte an die Decke und erinnerte sich an Tory Palluso.
Ronnie stellte sich dem Maître des
La Bonne Nuit
vor, und er führte sie in einen abgetrennten Bereich an der Seite des gut besuchten Restaurants. Als sie zwischen den Tischen mit jeweils zwei oder vier exklusiv gekleideten Gästen entlangging, hatte sie Zeit, um Mr.Palluso zu mustern. Er saß auf einem Stuhl gegenüber einer Sitzbank und nippte zögerlich an einem Glas Rotwein.
Tory Palluso war ungefähr fünfundvierzig Jahre alt, wie Ronnie vermutete, mit beginnender Glatze und einer Brille mit Metallrand. Man musste ihm zugutehalten, dass er nicht versuchte, sein restliches Haar so zu kämmen, dass es den allmählich kahl werdenden Kopf bedeckte, sondern das Haar kurz geschnitten und gestylt hatte. Aus der Ferne betrachtet
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