Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
stutzen und ihn zur Methode der Schwurfreundschaften, die sein Vater Heinrich so erfolgreich |252| gepflegt hatte, zurückzuführen. Es gelte, Druck auf ihn auszuüben, und dazu werde vielleicht nicht einmal ein Krieg, sondern nur – wie es Ottos eigene Methode sei – eine eindrucksvolle Bedrohung benötigt. Damit werde man dem König die nötigen Zugeständnisse abringen, sodass alle, die von Gott zum Herrschen berufen seien, wieder den ihnen gebührenden Platz einnehmen könnten und die nötigen Befugnisse erhielten. Er, Friedrich, sei gern bereit, in der entscheidenden Phase der Auseinandersetzung zur Vermeidung von Blutvergießen tätig zu werden und als
mediator
, als Vermittler, die Unversöhnlichen zueinander zu bringen.
Das alles ging Herzog Eberhard zwar nicht weit genug, doch es beruhigte ihn erst einmal und er nahm gern die Anregung des Erzbischofs auf, ins benachbarte Lothringen zu reisen und in diesem Sinne zu wirken. Von Friedrich erfuhr er auch, dass Giselbert sich einige Wochen lang in seinen Abteien versteckt hatte und dann nach Chèvremont zurückgekehrt war.
Gerberga begrüßte Eberhard wie einen Heilsbringer. Zwar hatte sie ihn manchmal geschmäht, weil sein Leumund infolge der Ereignisse des vergangenen Jahres stark gelitten hatte, doch war und blieb er einer der mächtigsten Männer im Reich, dessen Nähe jetzt hoch willkommen war. Im Grunde konnte sie den stattlichen Herzog mit der Silbermähne schon immer gut leiden, denn wie kein anderer unter den großen Herren hatte er sie bei jeder ihrer gelegentlichen Begegnungen mit den reizendsten, ihre Fraueneitelkeit kitzelnden Schmeicheleien bedacht. Auch diesmal schien ihm zunächst der wichtigste Anlass seines Besuchs zu sein, ihre Vortrefflichkeit zu rühmen und sich zu vergewissern, dass sie sich von dem harten Schlag gegen die Lothringer erholte. Für Herzog Giselbert, der die Lobsprüche auf seine Gemahlin mit verkniffener Miene anhörte, hatte er nur ein paar dürre Worte des Lobes für seine Tapferkeit. Als Gerberga darauf in ein kurzes, schrilles Gelächter ausbrach, wusste Eberhard, wie es um die beiden stand.
Später beriet man mit den Würdenträgern des Hofes und den Anführern der herzoglichen Gefolgschaft. Auch einige zufällige Gäste Giselberts – Grafen, Gutsherren und ein Bischof – wurden hinzugezogen. Herzog Eberhard machte allen Mut, als er berichtete, er sei gut gerüstet und bereit, den Kampf fortzusetzen. Die Niederlage von Birten werde bald vergessen sein. Jetzt komme es darauf an, ein neues mächtiges Bündnis zu schmieden. Ohne Erzbischof |253| Friedrich zu erwähnen, der ja im Hintergrund bleiben wollte, erläuterte Eberhard dessen Plan, König Otto durch den bedrohlichen Aufmarsch einer überlegenen Streitmacht einzuschüchtern und so in die Enge zu treiben, dass er weitgehende Zugeständnisse machen oder der Krone entsagen müsse, die dann einen Besseren zieren werde. Abweichend von der Ansicht des Erzbischofs gab Eberhard dieser zweiten Möglichkeit offen den Vorzug und ließ auch keinen Zweifel daran, wen er für den Besseren hielt: sich selbst.
Dem angesichts seiner Lage zu widersprechen, wagte Herzog Giselbert nicht. Aber er brachte andere Bedenken vor, die in der Frage gipfelten: „Und die überlegene Streitmacht … wie willst du sie schaffen, lieber Bruder und Freund?“
„Darauf gibt es nur eine Antwort“, erwiderte Eberhard. „Erfolg werden wir haben, wenn wir zu Dritt gegen Otto zu Felde ziehen – ich, du und Ludwig, der König der Westfranken!“
„Ludwig ist ein schwächlicher Jüngling, den seine Mutter und ein Pfaffe beherrschen“, sagte Giselbert, der den plötzlich aufleuchtenden Blick seiner Gemahlin nicht zu bemerken schien. „Vergebens habe ich mehrmals versucht, ein Bündnis mit ihm zu schließen. Er traut sich nichts zu, er hat Angst … vor Odda, vor Hugo Magnus, dem Grafen Heribert, seinem Erzbischof Artaud … vor allen. Er würde vor Odda davonlaufen wie der Hase vor dem Jäger!“
„Bist du davon fest überzeugt? Mir scheint, es gibt Widerspruch“, sagte Eberhard und sah die Herzogin an, die einzige Frau in der Beratung. Ungeduldig hatte sie, während Giselbert sprach, an ihrem Gewand gezupft, am Gürtel genestelt, an ihrem Stirnreif gerückt.
„Oh ja“, sagte sie, „ich widerspreche. Ich widerspreche entschieden! Wenn es jemanden gibt, der vor meinem Bruder Odda wie ein Hase davonläuft, so sitzt er hier, in diesem Kreis!“
„Ich verbiete dir …“, zischte
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