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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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über die Landschaft schweifen.
    Bis zum Horizont zogen sich Wälder hin, doch gab es auch viele gelblich schimmernde kahle Flächen, wo die Ernte eingebracht war. Mit der Rodung war man hier weiter als anderswo, ein Verdienst |149| der Mönche von Corvey. Am Rande der kleinen Weiler weideten auf den Wiesen Kühe und Schafe. Es gab aber auch graue, dunkle Flecke, von denen noch immer Rauch aufstieg.
    Tief unter sich sah der König zwei junge Männer, die ein Boot in den Fluss schoben. Nicht weit davon standen Wäscherinnen mit hoch geschürzten Röcken im flachen Wasser. Die Mädchen lachten und drohten mit ihren Schlägeln. Es schien, dass Scherzworte hin- und herflogen. Otto blickte hinunter und ein Lächeln quälte sich auf sein Gesicht.
    „Es geht sie nichts an“, murmelte er. „Was wir hier oben treiben, geht die da unten nichts an. Was kümmern sie unsere Siege und Niederlagen. Sie sind ohne uns glücklich oder traurig, sie hassen uns nur, wir sind ihre Plage. Es genügt ihnen, dass wir sie in Frieden lassen … sie nicht immer nur in Schrecken versetzen. Ob die dort unten wissen, wer ihr König ist? Wahrscheinlich nicht – und wozu auch? Wozu sollten sie ihn kennen. Er ist es nicht wert, dass man ihn kennt, schon gar nicht, dass man ihn liebt … er hat gerade einen Mord begangen. Brudermord, ja … eines der scheußlichsten Verbrechen. Er wollte es nicht – nein, er wollte es nicht! Und doch tat er es. Er konnte nicht anders, er musste es tun. Man hat ihn auch schon als den Mörder erkannt. Hadalt und Hermann Billung sind kluge Männer, es war unmöglich, sie zu täuschen. Ihre Bemerkungen, ihre Anspielungen, ihre Warnungen, ihre wissenden Mienen … Da kann er heucheln, soviel er will, den Ahnungslosen, den Überraschten spielen … Sie wussten, es würde so kommen … und so kam es.“
    Otto sah sich um und bemerkte Gunzelin, der sich wie immer in seiner Nähe hielt. Waffenstarrend, den Königsmantel über dem Arm, stand er zwanzig Schritte abseits und beobachtete aufmerksam zwei kreisende Bussarde.
    „Der Getreueste der Getreuen“, fuhr Otto in seinen Betrachtungen fort. „Er war es … Er berichtete mir von Maincias Schwur. Ich erwähnte es im Gespräch mit Edgith … sehe noch den Schreck in ihren Augen. Mein gutes Weib … wie beschworst du mich, es zu verhindern! ‚Der Mann ist ein Ungeheuer, er wird es wahr machen! Schick ihn fort oder lass ihn zurück!‘ So hast du mich mehrmals gebeten. Und ich versprach es … ja, ich versprach es. Aber dann warst du nicht mehr da, warst nach Lorsch unterwegs, und ich sorgte dafür, dass Maincia mit uns zog und du, Hermann Billung, |150| fragtest mich heute Morgen: ‚Wen soll ich mit hinaufnehmen, zur Belagerung?‘ Da erwiderte ich: ‚Nimm Heinrichs Leute mit nach oben, die haben die richtige Wut wegen Belecke, mit denen schaffst du es schnell.‘ Und du sahst mich aufmerksam an und fragtest: ‚Auch Maincia?‘ Und ich antworte dir: ‚Gerade den!‘“
    Kein Wölkchen zeigte sich am Himmel, die Julisonne brannte erbarmungslos. Otto blickte wieder hinunter und sah, wie sich eines der Wäschemädchen zu den beiden jungen Männern ins Boot ziehen ließ. Sie küsste beide und die drei lachten. Das erinnerte ihn an etwas und erneut erschien ein schmerzliches Lächeln auf seinem verdüsterten, müden Gesicht mit den umschatteten Augen.
    „Das war damals in Magdeburg, auf der Elbe. Auch so ein heißer Tag. Zu dritt saßen wir in dem Boot … Tammo, Edgith und ich. Es war kurze Zeit nach unserer Hochzeit. Ich saß an den Rudern, wir waren lustig, ausgelassen … bis er wieder anfing, sich zu beklagen. Der Unglückselige! Warum konnte er sich nicht schon damals mit seiner Lage abfinden … warum erst heute, als es zu spät war? Er war kein übler Kerl, doch immer voller Häme und Neid. Er machte Edgith verlegen … sagte, dass eigentlich er ihr Gemahl sein müsste, weil er der rechtmäßige Thronfolger sei. Ich protestierte, wir stritten … und plötzlich packte mich der Zorn und ich schlug mit dem Ruder nach ihm. Damals war ich erst siebzehn Jahre alt, er war noch immer der Stärkere. Wir rangen, er warf mich ins Wasser, ergriff die Ruder, ließ mich zurück. Ein schlechter Schwimmer, rettete ich mich mit Mühe ans Ufer, stieg herauf … keuchend, wassertriefend, gedemütigt. Er lachte und sagte zu Edgith: ‚Da kommt König Neptun, er hat sich in die Elbe verirrt. Pass auf, dass er dich nicht eines Tages in die Tiefe hinabzieht!‘ So war das …“
    Otto

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