Abgründe (German Edition)
viel wie möglich von dem Gespräch abnehmen, durfte sich aber auch nicht zu viel zusammenreimen.
»Jilly...«, begann er. »Hat er dich gezwungen, mich anzurufen, um mich zu Cara-Mia zu locken?«
»Ja. « Jilly verzog die Lippen. Ethan erkannte nicht, ob sie lächeln wollte oder es vor Schmerz tat. »Er hat mich gezwungen, dir diese Lügengeschichte zu erzählen... «
Offenbar hatte der Mörder gewollt, dass Ethan persönlich die tote Cara-Mia fand.
»Und das zweite Mal, als du ihm begegnet bist, war nachdem du bei mir warst, wegen dem... Baby?«
»Ethan, es tut mir Leid...«
»Muss es nicht.« Er streichelte ihre Hand wieder. »Dazu gehören immer zwei.«
»Ethan.«
»...Irgendwie regeln wir das schon, du wirst sehen. Auch wenn-«
»Ethan!«
Er brach ab und sah sie verwirrt an. »Ja?«
»Ich war nie schwanger.« Sie öffnete die Augen wieder. Auf ihrer Stirn klebte eine blonde Haarsträhne, die sie nervös zur Seite strich.
Ethan schluckte und musste erst einmal kapieren, was er da gehört hatte. Bis vor wenigen Minuten hatte er gehofft, dass es sich bei der Schwangerschaft nur um ein Missverständnis handelte, doch jetzt fühlte er sich hintergangen wie noch nie zuvor in seinem Leben.
»Es tut mir Leid.« Ihre Stimme war ein heiseres Flüstern. »Als der Typ mich das erste Mal bedroht hat, wollte ich nur noch weg aus Virginia Beach und ich dachte-«
»Du dachtest, wenn du mir vorschlägst, mich für dreißigtausend Dollar von der Verantwortung frei zu kaufen, dann gehe ich darauf ein und du kannst dich irgendwo anders hin absetzen?«
»Ja«, gab sie kleinlaut zu.
»So ein Unsinn!« Ethan schüttelte ungläubig den Kopf und ließ Jillys Hand los. »Wie konntest du nur?«
»Ich hatte Angst .«
»Scheiße...« Er zwang sich zur Ruhe. »Warum hast du mir nicht einfach erzählt, was passiert ist, anstatt mir diese Lüge aufzutischen?«
»Er hatte mir doch gedroht.«
»Du hättest es mir sagen können!«
»Und dann?«
»Wir hätten eine Lösung gefunden.« Er musste das Thema wechseln. »Lass uns nicht weiter darüber sprechen. Es ist ja– « Was? Noch mal gut gegangen? Verflucht, er hatte wegen ihr Evangeline verlassen. Er schüttelte den Kopf und blickte aus dem Fenster.
»Also«, begann er erneut. »Noch mal von vorne: Wir waren bei seiner Art zu reden.«
-104-
Schwer atmend ließ er die Tür hinter sich ins Schloss fallen und lehnte sich dagegen. Es war Freitagmittag und obwohl er keine zwanzig Stunden im Krankenhaus verbracht hatte, fehlte Ethan die Ruhe, noch länger dort zu bleiben. Er würde sich auskurieren können, wenn alles vorbei war – auch, wenn das dumpfe Pochen in seiner Schulter ihn regelrecht anflehte, es jetzt zu tun.
Aus Jillian hatte er nicht mehr viel herausbekommen. Keine Besonderheiten im Auftreten oder den Bewegungen des Killers. Für Ethan und den Rest des Teams war das Bewegungsschema eines Menschen wichtig. Es waren schon Mörder wegen eines leichten Hinkens oder ihrer Linkshändigkeit überführt worden. Doch die Bestie war nach wie vor nicht mehr als ein Phantom – wenn auch ein Phantom, das näher kam.
Das Telefon klingelte. Ethan hastete zum Apparat in der Küche und nahm ab.
»Was zur Hölle machst du zu Hause, Ethan?« Donovan klang nach wie vor wütend, aber auf eine andere Art als vorige Nacht. Etwas musste passiert sein. »Und wieso ist dein Handy aus? Wir versuchen seit einer knappen Stunde, dich zu erreichen!«
Verwirrt nahm Ethan das Gerät aus seiner Hosentasche. Tatsächlich, der Akku musste den Geist aufgegeben habe. »Wieso? Was ist passiert?«
»Es gab eine Entführung. Heute Vormittag in Salem.«
Ausgerechnet Salem. Ethans Puls beschleunigte sich und gab dem Pochen in seiner Schulter neuen Antrieb. Schwindel überkam ihn. »Gib mir die Details, Donovan. Mach schon.«
»Ich weiß nicht, Ethan. Du bist nicht fit. Die Belastung–«
»Verdammt noch mal, raus damit!!«
Donovan zögerte. »Die Entführung fand diesmal auf offener Straße statt, die nicht ganz so einsam war, wie der Täter scheinbar gehofft hatte. Laut Zeugen war er in einem blauen Saturn SL – Kennzeichen unbekannt – unterwegs, hat das Opfer einfach angefahren, dann noch mal zurückgesetzt und es in seinen Wagen gezerrt.«
Ethan schloss die Augen, seine Stimme klang gepresst. »Weiß man Genaueres über das Opfer?«
»Wir haben eine Beschreibung der entführten Person, aber keine des Täters, der Kerl war vermummt und–«
»Die Beschreibung der Frau«, forderte
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