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Abgründe (German Edition)

Abgründe (German Edition)

Titel: Abgründe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine d’Arachart
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Irgendetwas musste sie ihm wohl doch bedeuten.
    Haleys Hand an ihrem Hals war eiskalt und begann zu zittern, sie spürte seine Unruhe.
    »Wieso nicht?«, fragte er seinen Vater und klang verzweifelt. »Was macht es jetzt noch für einen Unterschied, ob ich sie töte? Du hast sowieso alles versaut. Unser Verhältnis geht gerade total den Bach runter!«
    Ethan schüttelte den Kopf und straffte die Schultern. »Ich verzeihe dir, wenn du sie am Leben lässt. Wir machen doch alle Fehler.« Er lächelte seinen Sohn gequält an.
    Evangeline bewunderte die Selbstbeherrschung, die er aufbrachte. Wenn es denn Selbstbeherrschung war und nicht beginnender Wahnsinn.
    »Das hier bleibt unter uns, Haley. Wir fahren einfach zurück nach Hause. Die Bestie ist mir entkommen. Verstehst du? Evangeline wird sicher auch den Mund halten, wenn du sie dafür leben lässt, oder?«
    Sie nickte, so gut sie mit dem Messer an ihrem Hals konnte.
    »Alles, was sich hier gerade eben abgespielt hat, bleibt unser Geheimnis«, beschwor Ethan Haley. Seine Stimme klang jetzt etwas fester, wenn er auch immer noch ein Bild des Jammers bot. Evangeline hatte den Eindruck, dass er in den vergangenen zehn Minuten um Jahre gealtert war. Außerdem machte ihr der größer werdende Blutfleck an seiner Schulter Sorgen.
    »Niemand außer uns dreien wird je davon erfahren, das verspreche ich dir...«
     
    Ethan hatte keine Ahnung, ob auch nur ein Wort von dem, was er sagte, zu Haley durchdrang. Der Junge hatte sich seit gut einer Minute nicht mehr gerührt. Seine Augen schienen durch ihn hindurch zu starren, während er das Messer unbewegt an Evangelines Kehle presste. Es bedurfte nur einer winzigen Bewegung und sie würde innerhalb kürzester Zeit verblutet sein.
    Ethans Herz hämmerte noch immer unkontrolliert und er fühlte sich, als fiele er, seit er den Raum betreten hatte, tiefer und tiefer in einen Abgrund. Ein wichtiger Teil seines Verstandes wollte einfach nicht kapieren, was hier geschah. Dass sein schlimmster, blutigster Fall das Werk seines eigenen Sohnes war. Immer, wenn die Erkenntnis zu ihm durchdringen wollte, war es, als kämpfe etwas in einem Kopf sie zurück, um ihn davor zu schützen, einfach verrückt zu werden. Er wusste, dass er auf ganzer Linie versagt hatte. Als Vater. Als Mensch .
    Haley rührte sich noch immer nicht. Sein Gesicht war nass von Schweiß und Tränen.
    »Unser Geheimnis«, flüsterte er plötzlich. »Wie passend.« Er blickte auf und sah seinem Vater in die Augen. »Weißt du, es hat mir wirklich Spaß gemacht, diesen Menschen ihre Geheimnisse zu entlocken. Das hat mir gezeigt, dass ich nicht der Einzige bin, der kaputt ist. Dass wir nicht die einzigen sind, Dad.« Er lachte leise.
    »Worauf willst du hinaus?« Ethan zwang sich zur Ruhe. Er versuchte, auf den Jungen einzugehen, auch wenn er ganz genau wusste, worauf er anspielte.
    »Auf deine Nutten «, gab Haley zurück. »Glaubst du, ich hab‘ nicht mitgekriegt, dass du in jeder freien Minute zum Pavilion Drive fährst?«
    Trotz der Panik schlich sich jetzt ein fragender Ausdruck in Evangelines Augen.
    »Weißt du, Evangeline, er hätte genug Gelegenheiten gehabt, mal mit mir zu reden. Aber wenn er nicht gerade ermittelt, treibt er’s lieber mit Cracknutten , da bin ich überflüssig«, flüsterte Haley, die Augen starr auf Ethan gerichtet. »Ich hab‘ durchs Fenster gesehen. Er fesselt sie und bedroht sie mit seiner Knarre. Er ist ein verfickter Sadist. Willst du ihn jetzt immer noch?«
    Evangeline schluckte und senkte den Blick. Sie schien diese Informationen gerade nicht verarbeiten zu können oder zu wollen. Für Ethan spielte es keine Rolle, was sein Sohn noch alles verriet. Er hatte ohnehin nicht das Gefühl, dass diese Situation glimpflich ausgehen würde.
    »Haley, bitte. Wir können über all das in Ruhe sprechen. Lass uns von hier verschwinden. Niemand ist dir böse.« Das reichte nicht, er musste noch einen drauf setzen. »Wir können einander verzeihen. Wir drei können immer noch eine Familie werden. Du musst nur endlich mit diesem Wahnsinn aufhören. Bitte .«
     
    Haley Ames sagte sich, dass das nur eine Masche war. Der Detective wollte seinen wunden Punkt treffen, mehr nicht. Trotzdem konnte er die Bilder nicht zurückdrängen, die sich in seinem Kopf aufbauten. Sonnige Bilder. Bessere als die, die er hier gerade erschuf. Vielleicht würde sein Vater ernst machen. Vielleicht liebte er ihn genug, um ihm zu verzeihen. Vielleicht liebte Evangeline seinen Vater

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