Abgründe (German Edition)
paar Schritte durch den Raum. Während er sein ehemaliges Team über den Plan aufklärte, herrschte Schweigen. Und auch danach schien erst einmal jeder für sich über das Gesagte nachzudenken. Ethan ließ ihnen Zeit, setzte sich und machte sich ein paar Notizen. Er konnte Masons neidischen Blick förmlich spüren. Damals, als er zur Homicide-Unit gestoßen war, hatte er fest damit gerechnet, leitender Detective der Mordkommission zu werden und den jüngeren Ethan von seinem Posten zu kicken. Mittlerweile war auch noch der deutlich jüngere Dewey an ihm vorbeigezogen und Masons Laune schien sich stündlich zu verschlechtern.
Dewey war der Erste, der das Schweigen brach. »Das ist Anstiftung zur Straftat.« Er warf einen Blick in die Runde. »Ich will damit nicht sagen, dass wir es nicht tun sollten. Ich will nur, dass uns allen klar ist, worauf wir uns einlassen.«
»Die Presse wird uns zerfetzen«, warf Donovan ein. »Und Cooper wird dich zerfetzen, Eth, weil du dich einmischst.«
Ethan fiel auf, dass Donovan deutlich weniger versoffen aussah, als er selbst sich fühlte. Entweder hatte ihm der Whisky nicht so zugesetzt, oder er war es gewöhnt, Schnaps in großen Mengen zu konsumieren. Das gestern Abend waren weit mehr als die üblichen ein, zwei Gläser gewesen, die er sich sonst genehmigte, wenn sie gemeinsam unterwegs waren. Ethan nahm sich vor, mal ein ernstes Wörtchen mit ihm zu sprechen und er hoffte, dass er dabei keine Leichen im Keller seines besten Freundes fand.
»Möglich. Aber wenn wir durch diesen Trick den Killer fangen, ist das ganz schnell vergessen.«
-86-
Ethan hielt immer noch nichts von Pressekonferenzen. Der ganze Medienrummel war pervers und unangebracht im Angesicht all der Toten und trauernden Familien. Durch eine Pressekonferenz würden sie die Berichterstattung nur weiter anheizen. Es war, als würde man einer Meute wilder Tiere Fleischbrocken hinwerfen. Glücklicherweise diente zumindest diese Konferenz einem vernünftigen Zweck und je mehr Sender berichteten, desto wahrscheinlicher war es, dass der Killer davon Wind bekam.
Ethan hatte sich heute nicht die Mühe gemacht, sich in Schale zu werfen. Man sah ihm ohnehin mehr als deutlich an, dass er gestern in einer Bar versackt war und um seine Eitelkeit war es im Moment auch nicht allzu gut bestellt. Es war egal, er würde diesmal nicht im Mittelpunkt stehen. Er drückte sich wie ein ungebetener Gast in der Nähe der Tür herum und wartete nervös darauf, dass es losging.
Gladys sah im Gegensatz zu ihm hinreißend aus. Sie trug ein eng anliegendes Kostüm und das rote Haar fiel ihr locker auf die Schultern. Vielleicht hätte Madison ihr irgendwann sehr ähnlich gesehen, wäre sie älter als fünfundzwanzig geworden.
Nachdem der Captain sie und Dewey, der einen etwas zu steifen Anzug trug, angekündigt hatte, traten beide ans Rednerpult. Die Stimmung im Raum war angespannt. Es war still unter den Reportern und trotz der geöffneten Fenster unerträglich warm.
»Meine Damen und Herren«, begann Dewey mit fester Stimme. »Wir haben diese Pressekonferenz einberufen, um Ihnen offiziell mitzuteilen, dass es in der Mordserie von Virginia Beach möglicherweise eine entscheidende Wendung gegeben hat.«
Kameras klickten, obwohl es gar nichts Neues zu sehen gab.
»Es ist uns gelungen, einen dringend Tatverdächtigen zu ermitteln.«
Wie zu erwarten, ging eine Raunen durch die Menge der Journalisten. Gladys blickte Ethan an, als wolle sie sagen: Es funktioniert.
»Genau so dringend wie diese Prostituierte Delilah Linney, Detective Dewey?«, fragte ein Reporter in einem glänzenden, schwarzen Sakko mit schleimiger Stimme. Einer dieser Widerlinge, die versuchten, es durch unverschämtes Verhalten nach ganz oben zu schaffen. Beim Gedanken an Cara-Mias übel zugerichtete Leiche wäre Ethan dem Journalisten am liebsten an die Kehle gegangen. Kaum war die Rede von ihr, riefen alle durcheinander und wollten neue Informationen zu ihrer Ermordung.
»Wie hat er sie erledigt?«
»Gibt es Fotos vom Tatort?!«
»Ist es wahr, dass der Killer angerufen–«
»Ruhe, oder ich breche die Pressekonferenz ab!«, drohte Dewey mit einer Autorität, die Ethan ihm gar nicht zugetraut hätte. Das wirkte. Es war, als würde man einem Kind in Aussicht stellen, ihm sein Lieblingsspielzeug wegzunehmen.
»Wäre sie dringend tatverdächtig gewesen, hätte es damals auch eine Pressekonferenz gegeben«, erwiderte Dewey auf die ursprüngliche Frage. »Aber
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