Abgründe (German Edition)
Frage gestellt, ob er eine Beziehung mit ihr wollte oder sie nur eine seinen üblichen Eroberungen war. Leider war er immer wieder zu dem Schluss gekommen, dass es ihm verdammt ernst mit ihr war. Doch er wusste, dass es unmöglich war, eine Beziehung mit ihr einzugehen, während da draußen zu allem Unglück auch noch eine von ihm schwangere Prostituierte herum lief. Es schien sich einfach alles gegen sie verschworen zu haben.
Ethan wischte sich durchs Gesicht und startete den Motor. Er hatte versprochen, sie am South Easy abzuholen und das würde er auch tun. Auf der Fahrt konnte er ihr die Sache dann erklären. Nein. Wahrscheinlich würde er nicht alles erklären., denn er wollte sie nicht mehr als nötig verletzen. Außerdem war er, wenn er ehrlich war, einfach zu feige.
Ein weiterer Laster raste vorbei, bevor Ethan den Blinker setzte. Er war froh über jede Sekunde mehr, die ihm blieb.
Evangeline trat gut gelaunt aus dem South Easy und winkte ihm schon von Weitem zu. In einer Hand trug sie eine kleine Pappschachtel mit dem Diner-Logo darauf.
Ethan hatte nicht den Mut, auszusteigen. Er blickte ihr ernst entgegen und versuchte, seine Gefühle für sie so gut es ging zu unterdrücken. War es möglich, dass er sie jetzt schon vermisste?
Evangeline stieg ein und brachte den, für sie typischen, Geruch von Fastfoodküche und Kirschblüten mit ins Innere des Wagens. Sie lächelte und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
»Hast du den Tag gut überstanden? Ich hab dir was mitgebracht.« Sie legte ihm die Pappschachtel auf den Schoß. »Spareribs. Ich wette, du hast mal wieder nichts gegessen, habe ich Recht?«
»Danke.« Er ließ den Wagen an und fuhr los. Ihr fragender Blick, während sie sich anschnallte, entging ihm nicht, doch er sagte nichts dazu.
Evangeline lehnte sich seufzend zurück. »Es war viel zu tun. Ich bin froh, dass ich Feierabend habe.« Wie selbstverständlich ergriff sie seine Hand. »Du bist so schweigsam. Ist es wegen heute morgen?«
Ethan schluckte und wagte es nicht, die Augen von der Straße zu nehmen. »Ich muss mit dir sprechen.«
»Gerne. Genau das möchte ich ja auch.«
»Das mit uns…«
Sie ließ seine Hand los, als ahne sie, was jetzt kommen würde. Sie schwieg.
»Das… funktioniert nicht, Evey.« Er nahm all seinen Mut zusammen und schaute einen Moment lang zu ihr herüber. Ihr Blick sprach Bände und brach ihm das Herz.
»Halt an.« Ihre Stimme klang brüchig.
»Evangeline…«
»Ich sagte: Halt an!« Sie hob die Hand und fuhr sich über die Augen.
»Nicht hier.«
»Ethan, ich will aussteigen!«
»Das kann ich mir vorstellen und ich kann das verstehen, aber ich werde dich nicht hier raus lassen. Das ist viel zu gefährlich. Ich bringe dich nach Hause. Du musst nicht mit mir sprechen, wenn dir das hilft, aber du steigst auch nicht aus.«
Evangeline schwieg erneut einen Moment, dann verpasste sie ihm eine schallende Ohrfeige.
»Wow, die…« Ethan rieb sich die Wange. »Ich verstehe wirklich, dass du böse bist, aber ich kann dir nicht erklären, warum es mit uns nichts werden kann. Es hat –«
»…nichts mit dir zu tun, ja ja.« Sie verschränkte die Arme und starrte aus dem Fenster.
Ethan erhaschte einen kurzen Blick in ihr Gesicht. Tränen glitzerten in ihren Augen, ihre Lippen waren fest zusammen gepresst. Wie konnte er ihr das antun? Er war versucht, den Arm nach ihr auszustrecken, ihre Tränen zu trocknen und sie in die Arme zu nehmen, aber er tat es nicht. Stattdessen atmete er nur tief durch und zwang sich, sich auf den Verkehr zu konzentrieren.
Beide schwiegen die Fahrt über und selbst, als sie bei ihr zu Hause angekommen waren, stieg Evangeline nur wortlos aus. Sie knallte die Wagentür zu und eilte zu ihrem Haus. Ethan sah ihr hinterher und wartete, bis sie im Flur verschwunden war. Er wartete und wagte es nicht, loszufahren. Vielleicht würde sie noch einmal über die Sache sprechen wollen.
Nein, das war Unsinn. Wenigstens sich selbst gegenüber sollte er ehrlich sein. Er blieb nur, um noch ein bisschen in ihrer Nähe zu sein.
Im oberen Stock des kleinen Hauses ging Licht an und Ethan beobachtete, wie Evangeline ihre Jeansjacke aufs Bett warf. Dann kam sie ans Fenster und für einen Moment trafen sich ihre Blicke, bevor sie ihm den erhobenen Mittelfinger entgegen streckte.
Ethan schluckte, wandte das Gesicht ab und sah nicht mehr, wie sie die Vorhänge mit einer ruckartigen Bewegung zuzog.
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Die Nacht von Mittwoch auf Donnerstag war
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