Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf
sei er nicht gegangen und das Handy war wie fast immer ausgeschaltet. In der Nacht vom Dienstag, dem 16. Juli, auf Mittwoch, 17. Juli, habe sie sich deshalb vor seiner Wohnung auf die Lauer gelegt, um zu warten, bis er heimkomme. Er kam aber nicht, und das Auto habe auch nicht in der Tiefgarage gestanden. Er sei definitiv nicht daheim gewesen, weil sie schon ab 15.00 Uhr nachmittags auf ihrem Beobachtungsposten in ihrem Auto vor dem Haus gewesen sei und diesen bis 3.00 Uhr nachts nicht verlassen habe. Erst dann habe sie aufgegeben und sei heimgefahren.
Das sind die Highlights, die man als Kriminaler hin
und wieder braucht, freute ich mich. Jetzt wussten wir wenigstens, dass er nicht zu Hause war, und damit war das für gewöhnlich nicht zu widerlegende Alibi »Ich war zu Hause und habe geschlafen« vom Tisch. Man durfte gespannt sein auf die Fortsetzung.
»Herr F., wo waren Sie in der Nacht vom vorletzten Dienstag, 16. Juli, auf Mittwoch, 17. Juli?«
»Hm, wo war ich da?«, sinnierte er. »War ich da zu Hause?«, fuhr er sich selbst fragend fort.
»Nein«, antwortete ich ihm bestimmt. »Da waren Sie nicht zu Hause, wie wir inzwischen wissen«, fügte ich an und schaute ihm direkt ins Gesicht, wobei mein Blick Selbstsicherheit verriet, die ich ja auch hatte. Immerhin gab es eine gute Zeugin.
»Stimmt«, stieß er ganz schnell hervor, als ob ihm die Erleuchtung gekommen sei, »da war ich unterwegs.«
Das war der Augenblick, auf den ich gewartet hatte. Wenn er jetzt nicht ganz genau sagen kann, wo er war und mit wem, dann war er es, schoss es mir durch den Kopf. Mein Puls stieg auf 200. Wenn er jetzt kein Alibi bringt, ist er dran.
»O Gott, wo war ich jetzt überall?«, fing er an und tat so, als müsse er jetzt erst wieder nachdenken darüber, wo er unterwegs gewesen sein will. »Wissen Sie, in der Nacht vor unserem Betriebsausflug gehe ich immer aus. Das ist schon Tradition bei mir. Diesmal war ich wirklich bis früh morgens unterwegs, bin dann nur kurz nach Hause zum Duschen und Umziehen, und um 8.00 Uhr war ich am Marienplatz, wie ausgemacht.«
»Wo genau waren Sie und mit wem?«
»Tja, erst war ich im Rock-Café, dann in einer Disco in der Sonnenstraße und zuletzt im Kunstpark Ost.«
»Mit wem?«
»Mit niemandem. Ich war alleine.«
»Gibt es Zeugen? Hat Sie jemand gesehen, haben Sie Bekannte getroffen, gibt es irgendwelche Begebenheiten, anhand derer wir überprüfen können, wann Sie wo waren? Sie wissen ja selbst, was Alibiüberprüfung bedeutet, oder?«
»Tut mir leid, es gibt niemand. Ich habe niemand getroffen und bin auch alleine geblieben.«
»Keine Frau, kein Mädchen kennengelernt? Keine Telefonnummer ausgetauscht, mit keiner Kellnerin geflirtet, keine Taxiquittung, keinen Streit gehabt? Nichts, was man nachprüfen könnte?«
»Nein, nicht dass ich wüsste.«
»Womit waren Sie unterwegs, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, mit einem Taxi oder mit dem Auto?«
»Mit meinem Auto.«
»Was? Haben Sie denn nichts getrunken?«, frage ich ungläubig und wartete schon darauf, dass er mir eine Beichte ablegen könnte.
»Nein, wenn ich mit dem Auto fahre, trinke ich nicht. Ich bin schließlich Polizist.«
»Sie waren die ganze Nacht in Kneipen unterwegs und haben keinen Schluck Alkohol getrunken? Das kann ich mir fast nicht vorstellen«, hielt ich ihm vor und konnte es mir tatsächlich nicht vorstellen.
»Ich trinke generell nur sehr wenig. Ich kann mich auch ohne Alkohol amüsieren. Außerdem ist man beweglicher mit dem Auto, wenn man eine Frau kennenlernt. Verstehen Sie?«
Er war es. Da war ich mir jetzt ganz sicher. Nun gab es keinen Zweifel mehr. Das Problem bestand allerdings
darin, dass wir weder den Tatort kannten noch uns eine genaue Eingrenzung der eventuellen Tatzeit möglich war. Einziger Anhaltspunkt war der Umstand, dass die beiden Vermissten am Dienstag noch gesehen wurden und seit Mittwoch jedes Lebenszeichen von ihnen fehlte. Insofern war der Rückschluss, in der Zeit dazwischen könnte das passiert sein, was aufgrund der Blutspuren und der anderen Indizien immer wahrscheinlicher wurde, gerechtfertigt. Und ausgerechnet für diese Nacht hatte Klaus F. kein Alibi.
Man sah Klaus F. an, dass er sich ertappt fühlte. Er war blass, wirkte total verunsichert und wusste offensichtlich selbst, dass dies alles unglaubwürdig klang.
Ich meinerseits war überzeugt, einen Täter vor mir zu haben. Nein, ich war mir ganz sicher. Und weil es das Gesetz verbietet, einen Tatverdächtigen
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