Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf
fragte ich meine Frau.
»Ja, natürlich. Das weißt du doch«, antwortete sie und wunderte sich über diese Frage, die ich seit Jahren nicht mehr gestellt hatte.
»Okay, dann gehen wir jetzt hinauf in den Perlacher Forst.«
»Was wollen wir denn dort um diese Zeit?«
»Ich möchte, dass du dich vor Ort nackt ausziehst und dich an einen Baum fesseln lässt.«
»Sag mal, warst du beim Stammtisch? Könnte es sein, dass du ein Bierchen zu viel hast?«
»Nein, ich war nicht beim Stammtisch und ich bin völlig nüchtern. Aber ich möchte einen Beweis deiner Liebe. Denn nur wenn du dich von mir an einen Baum fesseln lässt und dich mir völlig auslieferst, kann ich sicher sein, dass du mich wirklich liebst. Das ist eine ärztliche Feststellung.«
»Aha, also doch Stammtisch. Am besten, du gehst gleich zu Bett, mein Schatz.«
Natürlich hatte ich nur Spaß gemacht. Aber mein Frauenbild hatte einen Knacks bekommen. Jedenfalls haben mich diese Bilder und das, was der Herr Doktor gesagt hat, lange Zeit gedanklich beschäftigt. Wie war es möglich, dass sich so viele bildhübsche, intelligente, junge Frauen, viele auch bereits fest gebunden oder verheiratet, zu so etwas hatten hinreißen lassen? Ein Dutzend der
Damen, die wir ermittelten, wurde vernommen. Das genügte, um zu begreifen, warum dem Oberarzt diese Exzesse wirklich gelingen konnten. Alle Frauen gaben an, sie hätten sich »wahnsinnig« in ihn verliebt und ein Verhältnis mit ihm begonnen, das anfänglich ganz normal gewesen sei. Und so wie die Liebe zu ihm immer stärker wurde, wurden auch seine sexuellen Praktiken und Wünsche immer bizarrer. Es war also ein schleichender Prozess, den er dazu nutzte, seine Gespielinnen - mehr waren die Frauen für ihn nicht -, sukzessive dazu zu bringen, seine Spielchen mitzumachen. Und nahezu alle machten mit, weil sie ihn nicht verlieren wollten. Nur ganz wenige hatten ihn durchschaut und sich geweigert. Die Szene im Wald war dann der Höhepunkt. Und für viele gleichzeitig das Ende dieser fatalen Beziehung, denn danach war der Herr Doktor rasch wieder auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Es schien ihm also darauf anzukommen, Widerstände zu überwinden und immer wieder andere Frauen zu Dingen zu bewegen, die sie ansonsten nie und nimmer mitgemacht hätten. Wenn er sein Ziel erreicht hatte, waren die jeweiligen Frauen für ihn uninteressant geworden. Das schien wie eine Sucht gewesen zu sein. Im Grunde genommen war er also ein Mann, der gar nicht fähig war, jemanden zu lieben. Außer sich selbst vielleicht. So zumindest unser laienhaftes Fazit, das wir in einer sehr emotionalen und zugegebenermaßen nicht immer ganz ernsten Schlussbesprechung, bei der auch mehrere junge, hübsche Kolleginnen zugegen waren, zogen. Alle Kolleginnen versicherten übrigens im Brustton der Überzeugung, ihnen hätte so etwas nie und nimmer passieren können.
Die Ermittlungen gegen das Ehepaar dauerten noch
Wochen an, mussten aber ohne Ergebnis eingestellt werden. Ein strafbares Verhalten war ihnen nicht nachzuweisen. Also bekamen sie alle Glocken, Folterwerkzeuge, Wannen, Ketten, Riemen und Peitschen wieder zurück. Es blieb aber das ungute Gefühl, dass es tatsächlich Menschen zu geben scheint, die bereit wären, sich massakrieren zu lassen. Aus Spaß an der Freude? Oder weil sie krank sind?
Die Freiheit, seine sexuellen Vorlieben ausleben zu dürfen, endet natürlich dort, wo die Rechte anderer Menschen verletzt werden. Da diese Grenzen oft fließend und rechtlich sehr kompliziert sind, hat selbst die Staatsanwaltschaft hin und wieder Probleme, den Sachverhalt richtig einzuordnen. So erinnere ich mich an einen 50-jährigen Mann, der sich als extremer Masochist outete und dennoch Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung gegen seine Ehefrau erstatten wollte, weil diese sich von ihm getrennt hatte und er sich damit an ihr rächen wollte. Was war geschehen? Der Mann hatte seine Frau jahrelang gedrängt, ihn zu quälen. Weil es ihm gefiel, Schmerzen zu erleiden. Und die Frau war den Wünschen ihres Mannes nachgekommen. Widerwillig zwar, aber letztendlich doch immer wieder. Bis sie irgendwann nicht mehr konnte, weil seine Wünsche immer extremer wurden. Angefangen hatte es mit Auspeitschen und Ähnlichem, dann ging es weiter mit Sicherheitsnadeln, die sie ihm durch die Brustwarzen stechen musste, und besonders ekelig fand sie es, ihn in der Badewanne löffelchenweise mit seinem eigenen Kot füttern zu müssen. Am
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