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Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf

Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf

Titel: Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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ganz plötzlich die Hand mit dem Messer, holte in hohem Bogen aus und machte eine Stichbewegung in Richtung meines Kopfes. So schnell, dass ich gar nicht mehr reagieren konnte. Schätzungsweise drei bis fünf Zentimeter vor meinen Gesicht stoppte die Messerspitze. Dazu schrie er aus vollem Leib: »Paff!« Der Kollege im Hintergrund hatte seine Waffe nun ganz gezogen, aber da hatte Alexander W. die Stichbewegung schon wiederholt, und es wurde klar, das er testen wollte, ob ich Angst hätte. Mindestens fünf Mal führte er diese imaginären Stiche aus und jedes Mal schrie er: »Paff! Paff! Paff!« Dann hörte er ganz plötzlich auf, schaute mich wortlos an und schien beeindruckt und gleichzeitig irgendwie erleichtert zu sein, weil ich weder gezuckt noch die Augen geschlossen hatte.
    Ich bin zwar kein ängstlicher Typ, aber lebensmüde oder wahnsinnig war und bin ich natürlich auch nicht. Deshalb weiß ich bis heute nicht, warum ich ganz ruhig stehen geblieben war. Da ahnte ich noch nicht, wie oft ich noch die Erfahrung machen sollte, wie gefährlich und unberechenbar gerade psychisch kranke Menschen reagieren können. Als meine Vorgesetzten später von dieser Rekonstruktion erfuhren, erhielt ich den Anschiss
meines Lebens. Zu Recht. Ob ich verrückt wäre, fragte mich unser Kommissariatsleiter Norbert M., der gleichzeitig mein Vorbild und Lehrmeister war. Hätte nicht der Erfolg im Vordergrund gestanden, hätte ich wahrscheinlich mit disziplinären Maßnahmen rechnen müssen, zumindest mit einer Missbilligung. Und meine Eignung für die weitere Verwendung bei der Mordkommission wäre fraglich worden. »Wir brauchen keine Pseudo-Helden bei der Mordkommission«, musste ich mir vorwerfen lassen, »wir brauchen Leute mit Verstand.« Recht hatte er.
    Es ging bereits auf 8.00 Uhr zu. Längst hatte der normale Dienstbetrieb begonnen, und es herrschte rege Betriebsamkeit auf den Gängen. Kollege H. informierte unseren Chef, und wir waren am Ende angekommen. Es waren fast zweihundert Seiten geworden, die Alexander diktiert hatte. Zwölf Stunden lang, fast ununterbrochen. Am Ende schloss er hin und wieder die Augen, diktierte aber weiter. Leise zwar, aber grammatikalisch noch immer perfekt. Und plötzlich rutschte er ganz langsam vornüber vom Stuhl und »tauchte« unter den Tisch der Protokollführerin, dieser direkt vor die Füße. Die schrie auf und rannte aus dem Zimmer. Kollegen berichteten mir, sie habe einen Nervenzusammenbruch erlitten und musste zum Arzt gebracht werden. Drei Tage später, als sie sich erholt hatte, schenkte ich ihr einen großen Blumenstrauß. Sie war wieder die Alte.
    Es sollte noch eine Reihe weiterer Vernehmungen geben. Er führte uns in das Waffengeschäft am Hauptbahnhof, in dem er das Tatmesser gekauft hatte, und zeigte uns ein Artgleiches. Der Inhaber behauptete, er könne sich nicht an diesen Kunden erinnern, aber dafür konnte
sich Alexander W. umso besser erinnern und die Unterhaltung bis ins kleinste Detail wiedergeben. Mit Sicherheit hatte der Mann die in den Medien wiederholt gezeigte Tränengasspraydose in Verbindung mit dem gesuchten glatzköpfigen jungen Mann gebracht, aber aus unerklärlichen Gründen wollte er uns keinen Hinweis geben. Dabei war das Tatmesser kein verbotener Gegenstand. Dass die Klinge nur acht Zentimeter lang war, hatte Christine S. übrigens das Leben gerettet. Stiche mit einer längeren Klinge hätte sie in dieser Anzahl niemals überlebt.
    Tief beeindruckend war die Tatrekonstruktion vor Ort. Eine Kollegin mimte das Opfer. Die Rekonstruktion wurde von Alexander W. selbst kommentiert und rief bei allen, die sie sahen, eine Gänsehaut und tiefe Betroffenheit hervor. Es war die Art und Weise, wie er sprach und mit welchem Pragmatismus er schilderte, wie es im Grunde genommen jede andere Frau auch hätte treffen können.
    Der Vorfall war natürlich in seiner Heimatgemeinde bekannt geworden und hatte dort für Aufsehen gesorgt. Die Eltern von Alexander W. wurden von der örtlichen Polizei vernommen. Sie konnten oder wollten nicht begreifen, wie es so weit kommen konnte, und distanzierten sich von ihm, weil er schwer gesündigt hatte. Aber sie wollten für ihn beten. Ebenso wie sein Bruder, der auch eine Glatze hatte.
    Der psychiatrische Gutachter hatte in Alexander W. einen sehr interessierten, aber auch kritischen, schwierigen und neugierigen Patienten. Die Begutachtung dauerte entsprechend lange, und am Ende war nicht klar, wer jetzt wen mehr ausgefragt hatte. Wie

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