Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf
umklammerte das Messer, bei dem die Klinge herausgeklappt war.
Als die junge Frau die Tür geöffnet hatte und mich fragte, was ich wünsche, sprühte ich ihr sofort mit dem Tränengas ins Gesicht. Sie schrie, drehte sich um, beugte sich nach vorne und hielt sich die Hände vors Gesicht. Sie schrie immer lauter. Da stach ich zu. Immer und immer wieder in ihren Rücken. Bis sie zu Boden sank und still war. Dann rannte ich wie von Sinnen aus dem Haus. Beim Wegrennen merkte ich, dass ich die Tränengasdose verloren hatte, und wollte fast schon umkehren, lief dann aber doch weiter. Da ich bei der Tat Handschuhe getragen hatte, wusste ich, dass ich keine Fingerabdrücke auf ihr hinterlassen haben konnte.
Erst als ich in Höhe der Olympia-Schwimmhalle war, stellte ich fest, dass meine rechte Hand stark blutete. Ich hatte mich wohl beim Zustechen mit dem Messer selbst verletzt. Da ich mich ohnehin verbergen musste, ging ich in die Olympia-Schwimmhalle, löste mir eine Eintrittskarte und lieh mir auch eine Badehose und ein großes Handtuch aus. Mit dem Handtuch stillte ich dann auf der Toilette die Blutung. Es war am Ende vollgesogen und ich warf es in einen Abfalleimer. Dann wartete ich, bis das Bad schloss. Bis dahin waren Stunden vergangen, und ich konnte gefahrlos nach Hause fahren.«
In der Olympia-Schwimmhalle hatte er sich also versteckt. Und dort hätten wir sogar ein mit Täterblut durchtränktes Handtuch gefunden. Wenn man es halt immer vorher wüsste, dachte ich. Immerhin eine weitere Bestätigung dafür, dass sich Täter meist in unmittelbarer Umgebung des Tatortes verstecken. Wichtig für künftige Fahndungen, merkte ich mir.
Aber das war noch nicht das einzige Ärgernis. Noch ärgerlicher war, was er über unsere erste Begegnung sagte. Demnach hatte er eine halbe Stunde, bevor mein Kollege und ich erstmals bei ihm vorsprachen, sämtliche Beweismittel vernichtet, die er bis dahin in seiner Wohnung aufbewahrt hatte. Aufgeschreckt von der Veröffentlichung dieses Fahndungsporträts in der Süddeutschen Zeitung und dem Aushang in der Uni, war er nach Hause geeilt und hatte ein vollständiges, schriftliches Geständnis über alle seine Straftaten, sämtliche Zeitungsartikel über die Bluttat, das Tatmesser und einen Gasrevolver sowie alle Utensilien, die mit den von ihm begangenen Straftaten
im Zusammenhang standen, in einem Müllcontainer in der Nähe entsorgt. Wären wir seinerzeit nur eine halbe Stunde früher gekommen, hätten wir ihn anhand all dieser Beweisstücke sofort überführen können. Als er dies zu Protokoll gab, grinste er sogar etwas, und seine Schadenfreude sowie ein gewisser Triumph waren deutlich spürbar.
Es ging bereits auf die Morgenstunden zu, als ich ihn fragte, ob er zu einer Rekonstruktion im Hinblick auf die Messerattacke gegen Christine S. bereit sei. Er war damit einverstanden. Ich wollte, dass er mir zeigt, wie er das Messer gehalten hat und wie er zustach. Mein Kollege H. sollte diese Demonstration mit einer Polaroidkamera festhalten.
Als ich ihm ein Lineal in die Hand gab, war er beleidigt. Er verlangte ein echtes Messer, andernfalls würde er sich weigern. Ich lehnte ab, das sei gegen die Vorschrift, erklärte ich wahrheitsgemäß. Daraufhin meinte er, wenn ich kein Vertrauen zu ihm hätte, wäre eine weitere Kooperation sinnlos. Da ich aber unbedingt diese Rekonstruktion als Verfestigung seines Geständnisses wollte, schlug ich ihm einen Kompromiss vor und bot ihm ein Speise- bzw. Tafelmesser an. Andere hätten wir nicht, log ich. Das ist vorne rund, dachte ich, da kann dir nicht viel passieren.
Mein Kollege schüttelte hinter Alexander W.s Rücken heftig mit dem Kopf und deutete mir an, ich solle das auf keinen Fall tun, und die Schreibkraft verließ das Zimmer. Sie konnte und wollte diese Demonstration nicht sehen. Alexanders Gesichtsausdruck wirkte plötzlich zufrieden und triumphierend, als ich ihm das Küchenmesser, das ich vorher aus unserer Küche geholt hatte, in die Hand
gab. Dann stellte ich mich an die Tür, und er trat vor mich hin, das Messer in der linken Hand. Mein Kollege im Hintergrund hatte die Hand an seiner Dienstpistole und zog sie etwas aus dem Halfter, um schnell schießen zu können, sollte er wirklich versuchen, zuzustechen. Ich selbst trug natürlich wie immer keine Waffe. Ich wartete darauf, dass mich Alexander W. anwies, mich umzudrehen, wusste ich doch, dass er das Opfer in den Rücken gestochen hatte. Aber das tat er nicht. Stattdessen hob er
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