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Abgründe

Abgründe

Titel: Abgründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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klären und die Forderungen zu begleichen. Bergþóra konnte sich aber immer noch maßlos darüber aufregen, was aus ihrer Beziehung geworden war. Deshalb fand Sigurður Óli es angenehmer, sich in einem Lokal mit ihr zu treffen.
    »Wie geht’s deinem Vater?«, fragte Bergþóra, während sie sich weiter mit der Speisekarte beschäftigte.
    »Gut.«
    »Und deiner Mutter?«
    »Prima.«
    »Ist sie immer noch mit diesem Mann zusammen?«
    »Mit Sæmundur? Ja.«
    Sie wählten ihr Essen und einigten sich auf den Rotwein. Mitten in der Woche war das Restaurant halb leer. Irgendwoher von oben rieselte ruhige Musik auf sie herunter. Aus der Küche hörte man Topfgeklapper und Gelächter.
    »Wie gefällt es dir auf dem Framnesvegur?«, fragte Bergþóra.
    »Prima, auch wenn die Bude irgendwie noch ziemlich leer ist«, antwortete Sigurður Óli. »Was ist mit unserem Haus, hat es sich schon jemand angeschaut?«
    »Heute kamen drei. Einer wollte sich wieder melden. Schade um das Haus.«
    »Ja, das stimmt«, sagte Sigurður Óli. »Es ist super.«
    Sie schwiegen. Sigurður Óli überlegte, ob er ihr von Hermann und seiner Frau erzählen sollte, und entschloss sich schließlich dazu – vielleicht würde sich ja dadurch die Atmosphäre ein wenig entspannen. Er erzählte ihr von dem Treffen mit Patrekur, der unerwarteterweise den Mann seiner Schwägerin mitgebracht hatte, von den sehr speziellen Interessen von Hermann und seiner Frau, durch die sie sich in Schwierigkeiten gebracht hatten. Und von dem brutalen Überfall auf Lína, dem Mann mit dem Baseballschläger, und von Ebbi mit den Bergschuhen, der angeblich von nichts wusste.
    »Der ist regelrecht aus den Latschen gekippt, oder besser gesagt aus seinen Bergstiefeln«, sagte Sigurður Óli. »Ebeneser ist Reiseleiter im Hochland«, fügte er grinsend hinzu.
    »Ist so etwas wirklich normal?«, fragte Bergþóra.
    »Da kenne ich mich überhaupt nicht aus.«
    »Ich kenne auch keine Leute, die so eine Art von Partnertausch praktizieren. Das klingt ganz schön ausgeflippt. Und wegen so was dann in solche Schwierigkeiten zu geraten …«
    »Ja, der Fall ist schon ein bisschen speziell.«
    »Es muss schlimm für Súsannas Schwester sein, dassdas herauskommt, auch wenn es schon relativ lange her ist. Sie ist doch in der Politik.«
    »Ja, sicher, aber wenn man in der Politik ist, kann man doch nicht so blöd sein, sich in so eine Lage zu bringen, oder? Mit solchen Leuten braucht man wirklich kein Mitleid zu haben.«
    »Mitleid ist anscheinend nicht gerade dein Spezialgebiet«, entgegnete Bergþóra.
    »Was willst du denn damit sagen?«, fragte Sigurður Óli.
    Der Kellner, ein freundlicher Mann zwischen vierzig und fünfzig, kam mit der Rotweinflasche, zeigte sie Sigurður Óli und goss ein wenig Wein zum Probieren ins Glas. Sigurður Óli starrte ihn entgeistert an.
    »Du hast die Flasche schon aufgemacht?«, fragte er.
    Der Kellner begriff die Frage nicht.
    »Eine Flasche muss am Tisch geöffnet werden«, erklärte Sigurður Óli. »Was weiß denn ich, was du vorher mit der Flasche gemacht hast oder wann du sie entkorkt hast?«
    Der Kellner sah ihn verdutzt an. »Ich habe die Flasche gerade vorhin entkorkt«, sagte er.
    »Ja, aber das hat hier am Tisch zu geschehen und nicht irgendwo da hinten in einem Kabuff.«
    »Ich bringe eine andere Flasche«, sagte der Kellner und suchte das Weite.
    »Er bemüht sich doch«, sagte Bergþóra.
    »Der Kerl ist ein Stümper«, erklärte Sigurður Óli. »Wir bezahlen ein Schweinegeld für das Essen hier. Solche Leute sollten gefälligst ihren Job korrekt machen. Wie kommst du übrigens darauf, dass ich kein Mitleid mit anderen habe?«
    Bergþóra sah ihm in die Augen. »Deine Reaktion gerade«, sagte sie, »die ist typisch für dich.«
    »Dass ich mich über schlechten Service beklage?«
    »Du bist genau wie deine Mutter«, sagte Bergþóra.
    »Was meinst du damit?«
    »Ihr seid beide gleich kalt. Und gleich versnobt.«
    »Ach …«
    »Ich war nie gut genug für dich«, unterbrach Bergþóra ihn. »Sie hat mich das oft genug spüren lassen. Aber dein Vater ist ein Schatz. Ich verstehe nicht, wie diese Frau auf die Idee kommen konnte, sich mit einem Installateur zusammenzutun. Und noch weniger, wie er es mit ihr ausgehalten hat.«
    »Darüber habe ich auch schon oft nachgedacht«, sagte Sigurður Óli. »Und meine Mutter mag dich sehr gern, das hat sie mir gesagt. Ich finde es vollkommen überflüssig, schlecht über sie zu reden.«
    »Sie hat mir

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