Abgründe
nachdenklich an. »Ist das denn alles legal?«
»Ich gebe nur das wieder, was man so hört. Weshalb redest du nicht mit deinen Kollegen darüber? Oder hast du das schon getan?«
»Ich muss das wohl bald tun«, sagte Sigurður Óli und dachte an Finnur.
»Ich glaube, dass die isländischen Gesetze noch nicht einmal die Hälfte von dem abdecken, womit sich diese Leute befassen. Das, was im Parlament abläuft, ist lächerlich. Dort hinken sie dreißig Jahre hinter dem her, was hier passiert. Die debattieren doch nur über die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse oder so etwas. Das Parlament hat überhaupt keinen Einfluss. Die Entscheidungen liegen bei den Ministern, und wenn sie überhaupt etwas tun, dann protegieren sie die Bankerund die Expansionswikinger und ebnen ihnen sämtliche Wege. Sie düsen sogar in deren Privatjets in der Weltgeschichte herum. Es wird gemunkelt, dass die Schulden der Banken auf das Doppelte des Bruttosozialprodukts zusteuern, und niemand unternimmt etwas. Was ist denn das für eine Ermittlung bei dir?«
»Im Grunde genommen habe ich keine Ahnung«, sagte Sigurður Óli, »ich weiß noch nicht mal, ob meine Überlegungen irgendwie Sinn machen. Es geht darum, dass vier Banker zu einem Arbeitswochenende nach Snæfellsnes gefahren sind, aber nur drei kehrten zurück. Der vierte stürzte an den Klippen ab. So gesehen muss das nicht weiter verdächtig sein. Seine Leiche wurde erst Monate später gefunden, aber da war nicht mehr festzustellen, ob irgendeine Gewalteinwirkung stattgefunden hatte. Ein Jahr nach diesem Wochenendtrip wird die Sekretärin einer Unternehmensberatung überfallen und getötet. Die Firma hatte kurz vorher diese vier Männer zu einer Incentive-Fahrt eingeladen, und die Sekretärin und ihr Mann haben den Trip organisiert. Die Sekretärin steckte privat in der Klemme, sie und ihr Mann waren hoch verschuldet. Ein ausgeflippter Typ von der Sorte, die sich sehr leicht in Schwierigkeiten bringt.«
»Du musst also herausbekommen, ob vier Banker krumme Dinger gedreht haben, die einen von ihnen und ein Jahr später diese Frau das Leben gekostet haben?«
Sigurður Ólis Gesicht verzerrte sich. »Vielleicht auch nur zwei von diesen Bankern. Es müssen nicht unbedingt alle vier an irgendwelchen Machenschaften beteiligt gewesen sein.«
»Was für Machenschaften?«
»Ach, ich hab schon viel zu viel erzählt. Du darfst das auf gar keinen Fall irgendjemandem gegenüber erwähnen. Das wäre mein Ruin, ich habe ohnehin im Augenblick keinen sonderlich guten Stand. Wahrscheinlich mache ich auch zu viel Aufhebens um die Sache. Höchstwahrscheinlich geht es nur um Drogenschulden. Wir haben zwei Idioten in Haft, die wahrscheinlich für den Tod der Frau verantwortlich sind. Sie wollten sich ihr Geld holen und sind dabei zu weit gegangen.«
»In Bezug auf die Banken heutzutage kann man gar nicht übertreiben«, sagte Gagga. »Soweit man hört, bringen diese Geldhaie Millionen und Milliarden in sogenannten Steuer-Oasen in Sicherheit, um sich auf diese Weise ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen hierzulande zu entziehen. Sie gründen ein Privatunternehmen nach dem anderen, über die sie dann Geschäfte abwickeln, bei denen alle möglichen Geheimkonten eine Rolle spielen. Die Chance, solchen Praktiken auf die Spur zu kommen, ist gleich null, denn in den Steuer-Oasen tut man alles dafür, dass nichts bekannt wird.«
»Und was ist mit Geldwäsche?«
»Da kenn ich mich nicht aus.«
»Vielleicht haben die vier die Bank beklaut.«
»Das wäre durchaus im Bereich des Möglichen, es würde mich zumindest nicht wundern.«
»Es wäre natürlich das Einfachste, davon auszugehen, sich auf diese Schiene einzuschießen, wenn der Verdacht auf irgendwelche illegalen Geschäfte besteht. Ich weiß nur, dass sie angeblich unglaublich kaltschnäuzig waren und dass irgendein großer Coup im Gange war.«
»Ein Coup?«
»Ja, irgendwelche Machenschaften. Die hatten angeblich einen unglaublich kaltschnäuzigen Plan, den sie zusammen ausgeheckt haben. Zu zweit, zu dritt oder zu viert.«
»Es muss womöglich noch nicht einmal etwas mit der Bank zu tun haben?«
»Nein. Ich habe mit einem von ihnen gesprochen.«
»Und?«
»Dabei kam nichts heraus. Er war so beschäftigt, dass er kaum Zeit für mich hatte. Er musste sich ein Kammerensemble für eine private Essenseinladung bestellen.«
»Ein Kammerensemble?«
Sigurður Óli hörte, dass Sæmundur im Wohnzimmer hustete, und hoffte, dass er jetzt nicht
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