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Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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schieben das linke Lid auf. Sie erblickt etwas, das aussieht wie eine Spritze mit einer Scheibe am Ende. Die Scheibe senkt sich auf ihre Augenkappe und bleibt mit einem leisen Schmatzen daran haften.
    Sie wird hochgehoben, und Licht dringt wie Säure in Caracos Auge.
    Sie reißt den Kopf herum und schließt das brennende Auge. Selbst durch ihre geschlossenen Augenlider hindurch verursacht ihr das Licht noch Schmerzen, ein orangefarbenes Feuer, das ihr Tränen in die Augen treibt. Dann packen sie sie erneut, drehen ihren Kopf und fummeln an ihrem Gesicht herum …
    »Regeln Sie die Lampen herunter, Sie Schwachkopf! Sie ist sehr lichtempfindlich!«
    Die Rothaarige?
    »… Tut mir leid. Wir haben sie bereits um die Hälfte heruntergedreht, ich dachte …«
    Das Licht wird abgedunkelt. Durch ihre Augenlider dringt nur noch Schwärze.
    »Ihre Iris ist seit einem Jahr nicht mehr benutzt worden«, faucht die Rothaarige. »Geben Sie ihr doch wenigstens eine Chance, sich an ihre Umgebung anzupassen, verdammt noch mal!«
    Hat die Frau hier das Kommando?
    Schritte. Das Klappern von Instrumenten.
    »Entschuldigen Sie bitte, Ms. Caraco. Wir haben jetzt das Licht gedämpft. Ist es so besser?«
    Verschwinden Sie! Lassen Sie mich in Ruhe!
    »Es tut mir leid, Ms. Caraco, aber wir müssen Ihnen auch die andere Augenkappe herausnehmen.«
    Caraco hält die Augen fest geschlossen, doch sie nehmen ihr die Kappe trotzdem heraus. Die Fesseln an ihrem Körper lockern sich und verschwinden schließlich. Sie hört, wie sie vor ihr zurückweichen.
    »Ms. Caraco, wir haben die Lichter heruntergedreht. Sie können die Augen jetzt öffnen.«
    Die Lichter. Die verdammten Lichter sind mir egal. Sie rollt sich auf dem Tisch zusammen und vergräbt das Gesicht in den Händen.
    »Jetzt sieht sie gar nicht mehr so tough aus, was?«
    »Halten Sie die Klappe, Burton! Manchmal können Sie ein richtiges Arschloch sein, wissen Sie das?«
    Das Geräusch einer Luke, die mit einem Zischen geschlossen wird. Eine dichte, klaustrophobische Stille senkt sich auf Caracos Trommelfelle herab.
    Ein elektrisches Summen. »Judy.« Die Stimme der Rothaarigen, dieses Mal jedoch nicht leibhaftig, sondern aus einem Lautsprecher irgendwo. »Wir möchten Ihnen nicht mehr Unannehmlichkeiten bereiten als unbedingt nötig.«
    Caraco hält ihre Knie fest an die Brust gedrückt. Sie spürt die Narben, das alte Netz aus wulstigem Gewebe an der Stelle, wo sie sie damals aufgeschnitten haben. Sie hält die Augen weiterhin geschlossen und tastet mit den Fingern über die Erhebungen.
    Ich will meine Augen wiederhaben .
    Doch ihr sind lediglich diese nackten, fleischlichen Dinger geblieben, die jeder sehen kann. Sie öffnet sie nur einen Spalt breit und linst zwischen ihren Fingern hindurch. Sie ist allein.
    »Wir müssen Ihnen ein paar Fragen stellen, Judy. In Ihrem eigenen Interesse. Wir müssen wissen, wie Sie es herausgefunden haben.«
    »Was soll ich herausgefunden haben?«, schreit sie, das Gesicht in die Hände gedrückt. »Ich habe nur … trainiert …«
    »Schon gut, Judy. Es gibt keinen Grund zur Eile. Sie können sich ein wenig ausruhen, wenn Sie wollen. Ach ja, in dem Schubfach zu Ihrer Rechten sind ein paar Kleider.«
    Sie schüttelt den Kopf. Kleider interessieren sie nicht, sie hat schon schlimmeren Ungeheuern als diesen hier nackt gegenübergestanden. Schließlich ist es nur Haut.
    Ich will meine Augen wiederhaben .

Alibis
    Weißes Rauschen dringt aus dem Lautsprecher.
    »Haben Sie mich verstanden?«, fragt Brander, nachdem fünf Sekunden verstrichen sind.
    »Ja. Ja, natürlich.« Einen Moment lang summt es in der Leitung. »Es kommt nur ein wenig überraschend, das ist alles. Das sind … ziemlich schlechte Neuigkeiten.«
    Clarke runzelt die Stirn und schweigt.
    »Vielleicht ist sie durch eine Strömung in der Sprungschicht vom Weg abgekommen«, gibt der Sprecher zu bedenken. »Oder sie ist in einer Langmuir-Zelle gefangen. Sind Sie sicher, dass sie sich nicht noch irgendwo oberhalb der Echostreuschicht befindet?«
    »Natürlich sind wir sich –«, platzt Nakata heraus und hält inne, als Ken Lubin ihr warnend eine Hand auf die Schulter legt.
    Einen Moment lang herrscht Schweigen.
    »Bei Ihnen oben ist gerade Nacht«, sagt Brander schließlich. Bei Einbruch der Dunkelheit steigt die Echostreuschicht nach oben und breitet sich dünn in der Nähe der Oberfläche aus, bis sie das Tageslicht wieder nach unten drückt. »Außerdem müssten wir sie eigentlich über Funk

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