Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
Vom Netzwerk:
fragt sich, warum sie dieser Anblick vorher noch nie gestört hat, und ihr wird klar, dass sie zum ersten Mal einen Rifter lächeln sieht.
    »Eigentlich sollte das nicht nötig sein«, sagt sie.
    »Was?« Actons Lächeln beginnt sie zu beunruhigen.
    »Die Feinabstimmung. Eigentlich sollten wir uns selbst anpassen.«
    »Genau das tue ich doch. Ich passe mich an.«
    »Ich meine …«
    »Ich weiß, was Sie meinen«, sagt Acton. »Ich nehme eine … individuelle Anpassung vor.« Seine Hand fuhrwerkt wie aus eigenem Antrieb in seinem Brustkorb herum. »Ich könnte mir vorstellen, dass die Geräte besser funktionieren, wenn die Einstellungen ein klein wenig jenseits der empfohlenen Werte liegen.«
    Clarke hört ein kurzes metallisches Quietschen.
    »Wie soll das gehen?«, fragt sie.
    Acton lässt die Hand sinken und klappt die Haut wieder über das Loch. »Ich bin mir noch nicht ganz sicher.« Er führt ein anderes Werkzeug über die Naht in seiner Brust und schließt die Wunde. Dann schlüpft er wieder in seine Taucherhaut und verschließt sie ebenfalls. Jetzt ist er wieder so unversehrt wie jeder andere Rifter auch.
    »Ich sage Ihnen Bescheid, wenn ich das nächste Mal hinausgehe«, sagt er und legt Clarke beiläufig die Hand auf die Schulter, während er sich an ihr vorbeidrängt.
    Ihr gelingt es nicht ganz, ein Zusammenzucken zu unterdrücken.
    Acton bleibt stehen. Er scheint direkt durch sie hindurchzublicken.
    »Sie sind nervös«, sagt er bedächtig.
    »Bin ich das?«
    »Sie mögen es nicht, wenn man Sie berührt.« Wie eine Beleidigung ruht seine Hand auf ihrem Schlüsselbein.
    Sie erinnert sich wieder: Sie trägt dieselbe Rüstung wie er. Die Anspannung lässt ein wenig nach. »Nicht immer«, lügt sie, »nur bei manchen Leuten.«
    Acton scheint über den Seitenhieb nachzudenken und zu überlegen, ob er darauf eingehen soll. Er zieht die Hand zurück.
    »Eine unangenehme Eigenart an einem Ort, wo es so eng ist wie hier«, sagt er und wendet sich ab.
    Eng? Ich habe den ganzen verdammten Ozean für mich! Doch Acton steigt bereits über die Leiter nach oben.

    Der neu entstandene Raucher bricht erneut aus. Kochendheißes Wasser schießt aus dem Schornstein am Nordende des Schlunds, kühlt ab und vermischt sich mit dem eisigen Salzwasser der Tiefe; Mikroben, die in dem Wirbel gefangen sind, leuchten wie verrückt. Die Tiefe füllt sich mit dem Zischen von Dampf, der unter dem Druck von dreihundert Atmosphären gar nicht erst Gestalt annehmen kann.
    Acton befindet sich zehn Meter über dem Meeresboden und badet in Wellen aus blauem Licht.
    Sie gleitet von unten zu ihm herauf. »Nakata hat mir gesagt, dass Sie immer noch hier draußen sind«, sagt sie mit surrender Stimme. »Sie sagte, Sie würden darauf warten, dass dieses Ding ausbricht.«
    Er blickt sie nicht einmal an. »Ja.«
    »Sie haben Glück, dass es schon so bald geschehen ist. Genauso gut hätten Sie tagelang warten können.« Clarke dreht sich um und wendet sich in Richtung der Generatoren.
    »Ich bin außerdem davon überzeugt«, sagt Acton, »dass er in ein oder zwei Minuten wieder aufhören wird.«
    Sie wirbelt herum und blickt ihn an. »Hören Sie, diese Ausbrüche sind …«, sie sucht nach dem richtigen Wort, » … chaotisch.«
    »Hm-mh.«
    »Man kann sie nicht vorhersagen.«
    »He, der Pompejiwurm kann sie vorhersagen. Die Muscheln und Brachyura können es. Warum dann nicht auch ich?«
    »Wovon reden Sie?«
    »All diese Lebewesen können vorhersehen, wann es zu einem Ausbruch kommen wird. Schauen Sie beim nächsten Mal etwas genauer hin, dann werden Sie es selbst sehen. Sie reagieren deutlich vor dem Ereignis.«
    Sie blickt sich um. Die Muscheln verhalten sich wie Muscheln. Die Würmer wie Würmer. Die Brachyura trippeln über den Meeresboden, wie Brachyura es immer tun. »Wie reagieren sie?«
    »Das ist gar nicht so abwegig. Diese Quellen können sie schließlich ernähren oder weich kochen. Nach ein paar Millionen Jahren sollten sie gelernt haben, die Anzeichen richtig zu deuten, oder?«
    Der Raucher bekommt einen Schluckauf. Die Rauchwolke erzittert, die Lichter an ihren Rändern verblassen.
    Acton wirft einen Blick auf sein Handgelenk. »Nicht schlecht.«
    »Da haben Sie wohl Glück gehabt«, sagt Clarke. Ihr Stimmwandler verbirgt ihre Unsicherheit.
    Der Raucher stößt noch einige schwache Wolken aus und erstirbt dann.
    Acton schwebt näher heran. »Wissen Sie, als ich ursprünglich hier heruntergeschickt wurde, habe ich diesen Ort für die

Weitere Kostenlose Bücher