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Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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Meerwasser besteht.
    »Der Strudel von der Auslassöffnung«, ertönt Branders surrende Stimme. Er muss ein wenig lauter sprechen, um sich über dem Lärm der fressenden Maschine hinweg verständlich zu machen.
    Sie drehen sich um und folgen der Spur stromaufwärts, wobei sie sich eher mithilfe des Tastsinns am Rand des Wasserstrudels halten, als dass sie etwas sehen könnten. Das Hintergrundbrummen schwillt zu einer gewaltigen Kakophonie an und zerfällt dann in ein Dutzend einzelne Stimmen: eine Rammanlage, gedämpfte Explosionen, das Geräusch von Zementmischern. Clarke kann über dem vom Wasser übertragenen Lärm und der wachsenden Furcht in den vier Köpfen kaum einen klaren Gedanken fassen. Und plötzlich ist es direkt vor ihnen: eine riesige, aus einzelnen Gliedern bestehende Raupenkette, die an einem Zahnrad emporsteigt, das zwei Stockwerke hoch ist und in die Dunkelheit davonrollt.
    »Mann. Das ist verdammt riesig«, ruft Brander mit hochgedrehtem Stimmwandler.
    Gemeinsam richten sie ihre Tintenfische nach oben und schwimmen schräg hinauf. Clarke schmeckt die Erregung von Adrenalin aus drei Drüsen, unter die sich das Adrenalin ihrer eigenen mischt – eine ewige Rückkopplungsschleife. Da sie ihre Lampen heruntergedreht haben, können sie höchstens drei Meter weit sehen. Selbst direkt vor Clarkes Gesicht besteht die Welt nur aus Schatten, die von den Stirnlampen erzeugt werden, die zu beiden Seiten von ihr auf und ab hüpfen.
    Das obere Ende der Raupenkette gleitet unter ihnen vorbei, eine aus zahlreichen Gliedern bestehende, sich bewegende Straße, die mehrere Meter breit ist. Dann taucht vor ihnen eine Fläche mit einem Wirrwarr metallener Gebilde auf, die augenblicklich wieder verschwindet: Auslassöffnungen, Echolotkuppeln, Strömungsmesskanäle. Der Lärm lässt ein wenig nach, als sie sich auf die Mitte der Außenhülle zubewegen.
    Die meisten der Oberflächenausstülpungen besitzen eine hydrodynamische Tränenform. Aus der Nähe betrachtet, gibt es jedoch immer noch genügend Dinge, an denen man sich festhalten kann.
    Caracos glimmende Stirnlampe richtet sich als Erste nach unten auf die Maschine. Ihr Tintenfisch bleibt über ihr zurück. Clarke lässt ihren Tintenfisch ebenfalls zurück, um sich den anderen auf der Hülle anzuschließen. Bislang hat die Maschine nicht auf ihre Anwesenheit reagiert.
    Sie drängen sich dicht aneinander und stecken die Köpfe zusammen, um sich über den Hintergrundlärm hinweg unterhalten zu können.
    »Woher stammt es?«, fragt Brander.
    »Wahrscheinlich aus Korea«, erwidert Nakata. »Ich habe keine Registrierungskennzeichen gesehen, aber es würde eine Weile dauern, die gesamte Hülle abzusuchen.«
    Caraco: »Ich möchte wetten, dass du auch nichts finden würdest. Wenn sie sich so weit in fremdes Gebiet vorwagen, sind sie wahrscheinlich nicht so dumm, einen Absender zu hinterlassen.«
    Die rumpelnde Metalllandschaft zieht sie mit sich voran. Ein paar Meter über ihnen schwimmen, kaum sichtbar, ihre herrenlosen Tintenfische geduldig hinter ihnen her.
    »Weiß es überhaupt, dass wir hier sind?«, fragt Clarke.
    Alice schüttelt den Kopf. »Es wirbelt eine Menge Dreck vom Meeresboden auf, deshalb schenkt es den Dingen in seiner näheren Umgebung keine weitere Beachtung. Grelles Licht könnte es allerdings erschrecken. Schließlich befindet es sich unbefugt auf fremdem Gebiet. Licht assoziiert es womöglich damit, entdeckt worden zu sein.«
    »Tatsächlich.« Brander lässt sich ein paar Meter nach hinten treiben, um sich dort wieder festzuhalten. »He Judy, wollen Sie auf einen Erkundungsgang gehen?«
    Caracos Stimmwandler spuckt nur Statik aus; Lenie spürt deren Gelächter in ihrem Innern. Wie schwarze Kobolde hüpfen Caraco und Brander in die Dunkelheit davon.
    »Es hat sich sehr schnell bewegt, als es auf dem Echolot aufgetaucht ist«, sagt Nakata. Plötzlich entsteht in ihrem Innern ein kleiner Flecken Unsicherheit, doch sie versucht, ihn zu überspielen. »Es hat sich viel zu schnell bewegt, ohne Rücksicht auf seine eigene Sicherheit.«
    »Sicherheit?« Lenie runzelt die Stirn. »Es ist doch eine Maschine, oder? Da ist niemand drin.«
    Nakata schüttelt den Kopf. »Für eine Maschine in unwegsamem Gelände war es zu schnell. Nur ein Mensch wäre dazu in der Lage.«
    »Kommen Sie schon, Alice. Das sind nur Roboter. Wenn sich in seinem Innern wirklich ein Mensch befinden würde, würden wir es spüren, oder? Können Sie außer uns vier sonst noch jemanden

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