Abgrund: Roman (German Edition)
um ihn im Blick zu behalten. »Hören? Was denn?«
»Da war …« Scanlon lauscht. Ein schwaches tektonisches Rumpeln. Das ist alles. »Ach, nichts.«
Sie stößt sich vom Meeresboden ab und gleitet durch das Wasser auf Brander zu. »Unsere Schicht hat angefangen«, sagt sie mit surrender Stimme an Scanlon gewandt. »Sie wissen ja, wie die Luftschleuse funktioniert.«
Die Vampire verschwinden in der Nacht.
Beebe leuchtet einladend. Allein und plötzlich nervös zieht sich Scanlon in die Luftschleuse zurück.
Aber ich habe nicht gelogen. Ganz sicher nicht . Bisher bestand noch keine Notwendigkeit dazu, weil noch niemand die richtigen Fragen gestellt hat.
Dennoch kommt es ihm merkwürdig vor, dass er sich das erneut vor Augen führen muss.
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Ich werde demnächst meinen ersten längeren Tauchgang unternehmen. Offenbar wurden die Teilnehmer darum gebeten, für eine der Pharmafirmen einen Fisch zu fangen. Rand/ Washington, glaube ich. Ich finde das ein wenig seltsam. Normalerweise sind Pharmafirmen eher an Bakterien interessiert, und sie haben ihre eigenen Leute, die ihnen das Material beschaffen, doch für die Teilnehmer bedeutet das eine Abwechslung von der üblichen Routine, und mir bietet sich dadurch eine gute Gelegenheit, sie bei der Arbeit zu beobachten. Ich hoffe, eine Menge herauszufinden.
Als Scanlon den Aufenthaltsraum durchquert, sieht er Brander an der Bibliothekskonsole sitzen. Seine Finger ruhen reglos auf der Tastatur. Die Datenbrillen hängen allesamt unbenutzt an ihren Haken. Branders leere Augen sind auf den dunklen Flachbildschirm gerichtet.
Scanlon zögert. »Ich gehe jetzt hinaus. Mit Clarke und Caraco.«
Branders Schultern heben und senken sich kaum merklich. Vielleicht ein Seufzen oder ein Achselzucken.
»Die anderen sind am Schlund. Sie sind der Einzige, der … Ich meine, werden Sie die Vorgänge von der Kommunikationszentrale aus überwachen?«
»Sie haben uns gesagt, wir sollen unsere Routine nicht verändern«, sagt Brander, ohne aufzublicken.
»Das ist richtig, Michael. Aber …«
Brander steht auf. »Dann entscheiden Sie sich.« Er verschwindet im Korridor. Scanlon blickt ihm hinterher. Natürlich werde ich das in meinen Bericht mit aufnehmen müssen. Nicht, dass Sie das kümmert.
Aber womöglich wird sich das schon bald ändern.
Scanlon steigt in den Schleusenraum hinab und stellt fest, dass er leer ist. Er legt sich allein seine Ausrüstung an und achtet besonders darauf, dass die Helmblase intakt ist. Draußen trifft er auf Clarke und Caraco; Clarke überprüft gerade ein Quartett Tintenfische, die über dem Meeresboden schweben. Einer von ihnen ist mit einem Probenbehälter verbunden, der auf dem Meeresboden ruht, ein drucksicherer Sarg von über zwei Metern Länge. Clarke reguliert den Auftrieb, und der Behälter hebt sich ein paar Zentimeter.
Ohne ein Wort machen sie sich auf den Weg. Die Tintenfische ziehen sie in den Ozean hinaus; die Frauen an der Spitze, Scanlon und der Behälter dahinter. Scanlon blickt über die Schulter zurück. Beebes tröstliche Lichter verwandeln sich von Gelb in Grau und verschwinden schließlich ganz. Plötzlich wird ihm etwas mulmig zumute, und er schaltet durch die Kanäle auf seinem akustischen Modem, um sich zu beruhigen. Da: Der Sendeleitstrahl der Station. So lange er ihn hören kann, kann er sich hier unten nicht verirren.
Clarke und Caraco lassen ihre Lampen ausgeschaltet. Nicht einmal die Scheinwerfer an ihren Tintenfischen sind zu sehen.
Sag nichts. Schließlich sollen sie ihre Routine nicht ändern, nicht wahr?
Auch wenn sie das sowieso nicht tun würden.
Hin und wieder sieht er aus den Augenwinkeln trübe Lichter aufleuchten, doch sie verschwinden stets, wenn er den Blick darauf richtet. Nach endlosen Minuten taucht direkt vor ihnen ein heller Streifen auf und verwandelt sich in eine Ansammlung kupferfarbener Leuchtfeuer und dunkler, eckiger Wolkenkratzer. Die Vampire meiden das Licht und schwimmen in einem Bogen darum herum. Scanlon und die Fracht folgen ihnen hilflos.
Ein wenig abseits des Schlunds machen sie schließlich Halt, an der Grenze zwischen Licht und Dunkelheit. Caraco klinkt den Behälter aus, während Clarke über ihnen aufsteigt. Sie hat etwas in der rechten Hand, doch Scanlon kann nicht erkennen, was es ist. Sie hält es hoch, als würde sie es einer unsichtbaren Menge zeigen.
Es gibt Töne von sich.
Zuerst klingt es wie ein besonders lauter Moskito, dessen Summen sich durch den
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