Abiona - Das Bündnis (German Edition)
fremde Worte. Sie fielen zu Boden und gruben sich ein in eine Platte aus rotem Stein.«
»Die Prophezeiung«, flüsterte Thuri erregt.
»Ja, die Prophezeiung«, bestätigte Monatom. »Wir brachten die Platte heraus aus der Höhle, aus Angst Vanderwal könne sie entdecken und damit unsere einzige Hoffnung zunichte machen, die anderen Adhari aufzuspüren.«
»Wo ist die Prophezeiung jetzt?«, fragte Robin ruhelos und bemühte sich, freundlich zu klingen.
»Kommt und seht«, erwiderte Monatom feierlich und erhob sich.
Die drei Menschen folgten ihr zunächst über eine üppige Blumenwiese, auf der einige kleinere Zelte standen, in denen die Gnomi lebten. Dann geleitete Monatom sie durch einen Nadelwald hinab in eine Klamm, wo sie einen tosenden Flusslauf überquerten. Nun folgte ein steiler Anstieg in eine groteske Bergwelt, vorbei an kleinen, knorrigen Kiefern und merkwürdig geformten Findlingen, die aussahen wie zu Stein gewordene Kobolde. Schließlich erreichten sie eine Hochebene, wo ein türkisfarbener See sie altehrwürdig empfing. Aus dem klaren, kalten Gewässer ragten leuchtende Kristalle empor. Sie brachen das Sonnenlicht in vielen Farben auf die spiegelnde Wasseroberfläche. Der erdige Pfad, den sie am Uferrand entlangschritten, war gesäumt von silbernen Sternenblumen und führte sie bald weg von dem See in die Richtung einer steil aufragenden Felsenwand. Dort wurde der Pfad immer schmaler und schlängelte sich in Serpentinen eine Bergwand empor. Er mündete an einer Felsspalte, die so eng war, dass sie hintereinander gehen mussten. Doch schon nach wenigen Minuten weitete sich die Schlucht wieder und sie erreichten ein Tal, das von weißen Felsen umrahmt war und in dem es angenehm kühl und windstill war.
Schon von weitem sahen sie die unwirkliche Wand, die aus reinem Bergkristall zu bestehen schien, was den Namen Gläserner Berg erklärte. Rechts und links neben der Kristallwand standen zwei große Nadelbäume, aus deren weinroter Rinde rautenförmige Zapfen herausragten. Zwei besonders große Zapfen wiesen auf eine Vertiefung im Felsen. Sie barg eine rote Steintafel mit sonderbaren Schriftzeichen, die sich für Robin und Thuri weiß, für Jack jedoch leuchtend gelb von ihrer Umgebung abhoben.
»Was ist ihre Bedeutung? Darfst du uns die Botschaft entschlüsseln, Monatom?«, fragte Jack neugierig und trat näher an die Tafeln heran. Monatom neigte den Kopf und erhob ihre Stimme. Sie hallte vielfach von den Felswänden wieder und verwob sich zu einem mehrstimmigen Gesang:
»Die Götter werden durch die Pforte steigen
Und die erwecken, die gereinigt wurden
Im Feuer der Läuterung.
Und sie werden Euch die nehmen,
Die Ihr behütet habt,
Bei Tag und Nacht und Nacht und Tag.
Doch die Tränen des Abschieds, die Ihr weint,
Werden versiegen im Angesicht neuen Lebens,
Das denen geschenkt wird, die geliebt.«
Als das Echo verklungen war, ergriff Robin unaufgefordert das Wort. »Und wen oder was behütet ihr bei Tag und Nacht?«
Monatom lächelte sanft. »Das die richtige Frage gewesen ist, Robin Sternensohn, Solfajama jetzt sagen würde.«
Sie näherte sich der Platte und fuhr mit ihrem Finger jedes einzelne Schriftzeichen nach, das auf dem roten Felsen eingraviert war. Dann trat sie zurück und flüsterte Worte in einer Sprache, die so alt und doch so vertraut klang, dass die drei Menschen meinten, sie mit dem Herzen verstehen zu können.
Die Felswand bebte leicht, wich zur Seite und gab den Blick frei auf einen Raum, in dem acht gläserne Särge standen. Sie waren strahlenförmig um einen oktaederförmigen Brunnen angeordnet, in dem ein bunter Blumenkranz schwamm. An der Stirnseite jedes gläsernen Schreins stand eine große weiße Kerze, die ihr warmes Licht hoffnungsvoll in dem sonst kahlen Raum verströmte.
Ein kleiner Gnomi trat jetzt aus der Kammer hervor und verneigte sich tief vor den drei Menschen. Mit ehrfürchtiger Stimme sagte er: »Gegrüßt seien die Götter, die zu uns gesandt wurden.« Dann ließ er sich auf die Knie fallen und berührte mit der Stirn den Boden. »Möget Ihr die erwecken, die uns einst erschufen.«
Und mit diesen Worten wandte er sich Monatom zu, die ihm über das wellige Haar strich und liebevoll sagte: »Du hast gut über sie gewacht, Eiatorn. Ruhe dich nun aus. Ich rufe dich beizeiten.«
Der kleine Wicht nickte glücklich und sauste schnell wie ein Wirbelwind davon. Monatom wies mit ausgestreckten Armen auf den Eingang. Doch Robin blieb wie
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