About a Boy
lang?«
Ellie lachte. »Eins b. Da lang.«
»Gut.« Er stand direkt vor ihr und machte sich ganz langsam
auf den Weg zum Bahnsteig.
»Was machst du da?«
»Ich führe dich.«
Sie schubste ihn von hinten. »Sei kein Idiot. Mach hin.« Plötzlich erinnerte er sich an etwas aus einer der Telekollegsendungen, die seine Mutter früher für ihren Kurs hatte sehen müssen. Er hatte sich das mit ihr zusammen angeguckt, weil es lustig war: Da waren lauter Leute in einem Raum, und die Hälfte von ihnen hatte die Augen verbunden, während die anderen sie herumführen mussten, ohne dass sie zusammenstießen. Seine Mutter hatte ihm erklärt, das habe etwas mit Vertrauen zu tun. Wenn einen jemand sicher herumführen könne, während man sich ihm ausgeliefert fühle, dann lerne man, ihm zu vertrauen, und das sei wichtig. Das Beste an der Sendung war gewesen, wie eine Frau einen alten Mann voll vor eine Tür laufen ließ, dass er mit dem Kopf dagegen knallte, und dann gab es Krach. »Vertraust du mir eigentlich, Ellie?« »Worauf willst du hinaus?« »Vertraust du mir, ja oder nein?« »Ja. Soweit ich dich schmeißen kann.« »Ha, ha.« »Natürlich vertraue ich dir.«
»Gut. Mach die Augen zu und halt dich an meiner Jacke fest.« »Hä?«
»Mach die Augen zu und halt dich an meiner Jacke fest. Du darfst nicht blinzeln.«
Ein junger Typ mit langen, unordentlichen, blond gefärbten Haaren sah Ellie an, zuerst ihr Sweatshirt und dann ihr Gesicht. Einen Moment lang sah es so aus, als würde er sie ansprechen, und Marcus geriet in Panik. Er stellte sich zwischen sie und den Typ und zerrte sie weiter. »Komm jetzt.«
»Fängst du jetzt an zu spinnen, Marcus?«
»Ich werde dich zwischen all diesen vielen Menschen durchführen und sicher in den Zug bringen, und dann wirst du mir für immer und ewig vertrauen.«
»Wenn ich dir für immer und ewig vertraue, dann bestimmt
nicht, weil ich fünf Minuten mit geschlossenen Augen durch
King’s Cross getappt bin.«
»Nein. Ist klar. Aber es würde helfen.«
»Ach, Scheiße, dann meinetwegen.«
»Fertig?«
»Fertig.«
»Augen zu, blinzelst du nicht?«
»Marcus!«
Sie gingen los. Um zu dem Zug nach Cambridge zu kommen, musste man aus der Haupthalle des Bahnhofs in einen anderen, kleineren, seitlich versteckt liegenden Teil; die meisten Leute gingen in ihre Richtung, um nach der Arbeit den Zug nach Hause zu nehmen, aber es kamen ihnen noch genug Leute mit einer Zeitung in der Hand entgegen, damit sich das Spiel lohnte.
»Alles okay bei dir?«, fragte er über die Schulter.
»Ja. Du sagst es mir doch, wenn wir Treppen steigen müssen
oder so was?«
»Klar.«
Marcus machte das Ganze jetzt beinahe Spaß. Sie gingen gerade durch eine schmale Passage, und man musste sich konzentrieren, weil man nicht plötzlich stehen bleiben oder zur Seite ausweichen konnte, und man musste daran denken, dass man auf einmal doppelt so breit war, und sich daher ständig überlegen, wo man noch durchpasste. So ähnlich musste es sein, wenn man anfing, einen Bus zu fahren und vorher einen Fiat Uno gefahren hatte. Das Beste war, dass er sich wirklich um Ellie kümmern musste, und das fühlte sich gut an. Er hatte sich sein ganzes Leben lang noch nie um etwas oder jemanden kümmern müssen - er hatte nie ein Haustier gehabt, denn Tiere interessierten ihn nicht, auch wenn er und seine Mutter übereingekommen waren, sie nicht zu essen (warum hatte er nicht einfach gesagt, dass ihn Tiere nicht interessierten, anstatt sich auf eine Diskussion über Massentierhaltung und so weiter einzulassen?) -, und da er Ellie mehr liebte, als er einen Goldfisch oder Hamster je hätte lieben können, war es ein Spitzengefühl. »Sind wir bald da?« »Ja.« »Das Licht ist anders.«
»Wir haben die große Bahnhofshalle verlassen und gehen jetzt in die kleine. Dort wartet der Zug auf uns.«
»Ich weiß, warum du das machst, Marcus«, sagte sie plötzlich mit kleinlauter Stimme, die so gar nicht nach ihr klang. Er blieb stehen, aber sie ließ ihn nicht los. »Du denkst, ich hätte die Zeitungen nicht gesehen, habe ich aber doch.«
Er drehte sich um, um sie anzusehen, aber sie machte die Au
gen nicht auf.
»Bist du okay?«
»Ja. Na ja. Eigentlich nicht.« Sie wühlte in ihrer Tasche und holte eine Flasche Wodka heraus. »Ich werde mich betrinken.« Plötzlich erkannte Marcus den Schönheitsfehler in seinem Plan mit der Lenkrakete: Der Schönheitsfehler war, dass Ellie im Grunde keine Lenkrakete war. Man konnte sie nicht lenken. In
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