About a Boy
der Schule machte das nicht viel aus, denn die Schule war voller Wände und Vorschriften, an denen sie abprallen konnte; aber in der Welt draußen, wo es keine Wände und Vorschriften gab, machte sie ihm Angst. Sie konnte ihm jederzeit in den Händen explodieren.
32
Gegen die Idee war absolut nichts einzuwenden - sie war nicht einmal besonders gewagt. Im Gegenteil, es war eine ganz banale Verabredung, wie Menschen sie ständig und überall trafen. Würden sich diese Menschen, dachte Will später, jemals die möglichen Konsequenzen klarmachen, die Tränen, die peinlichen Momente, die Panikreaktionen, zu denen es kommen konnte, falls bei diesen Verabredungen die kleinste Kleinigkeit schief ging, würden sie sich nie wieder auf ein schnelles Bierchen treffen.
Der Plan sah vor, dass Rachel, Will und Fiona in Islington in einen Pub gehen würden, während Marcus zu Besuch bei seinem Vater in Cambridge war. Sie würden etwas trinken und plaudern, dann würde Will sich diskret zurückziehen, und Rachel und Fiona würden etwas trinken und plaudern, und danach würde es Fiona besser gehen, sie würde alles lockerer sehen und ihre Selbstmordabsichten vergessen. Was konnte da schon schief gehen?
Will traf als erster im Pub ein, holte sich einen Drink, setzte
sich, zündete sich eine Zigarette an. Fiona kam kurz danach, sie
war verstört und etwas überdreht. Sie wollte einen großen Gin
mit Eis, pur, danke, und nippte nervös und hastig daran. Will
begann sich etwas unbehaglich zu fühlen.
»Hast du was von dem Jungen gehört?«
»Welchem Jungen?«
»Marcus?«
»Ach, der!« Sie lachte. »Den hatte ich völlig vergessen. Nein. Ich denke mal, er wird mir eine Nachricht auf den Anrufbeantworter sprechen, während ich unterwegs bin. Wer ist deine
Freundin?«
Will schaute zur Seite, nur um sich zu vergewissern, dass der Platz neben ihm noch so leer war, wie er ihn in Erinnerung hatte, und sah dann wieder Fiona an. Vielleicht bildete sie sich Leute ein; vielleicht war sie deshalb oft so down und weinte viel. Vielleicht waren die Leute, die sie sich einbildete, scheußlich oder so depressiv wie sie. »Welche Freundin?« »Rachel.«
»Wer meine Freundin Rachel ist?« Diese Frage verstand er nun gar nicht. Wenn sie wusste, dass Rachel seine Freundin Rachel war, was wollte sie dann eigentlich wissen?
»Wer ist sie? Wo kommt sie her? Wie passt sie hier rein? Warum willst du, dass ich sie kennen lerne?«
»Oh. Verstehe. Du weißt schon, ich dachte bloß.« »Was?« »Ich dachte, du könntest sie interessant finden.«
»Geht das jetzt immer so, wenn du jemanden kennen lernst? Ich muss mich mit euch auf einen Drink treffen, obwohl ich dich gar nicht richtig kenne, geschweige denn sie?« »Nein, nein. Jedenfalls nicht jedes Mal. Ich werde die Spreu vom Weizen trennen.« »Herzlichen Dank.«
Und immer noch keine Rachel. Sie war jetzt fünfzehn Minuten
überfällig. Nach einem seltsamen und sinnlosen Gespräch über
John Majors Hemden (dieses Gesprächsthema hatte Fiona aus
gesucht, nicht er) und mehreren längeren Pausen war Rachel
schon dreißig Minuten zu spät.
»Aber sie existiert?«
»Oh, sie existiert mit Sicherheit.«
»Schön.«
»Ich rufe sie mal an.« Er ging zum Münzfernsprecher, bekam den Anrufbeantworter dran, wartete auf die Unterbrechung durch eine menschliche Stimme, die nicht kam, und ging zurück an seinen Platz, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Die einzige Entschuldigung, die er akzeptieren würde, beschloss er, wäre irgendwas mit Ali und einem großen Sattelschlepper … Es sei denn, sie hatte nie vorgehabt, zu kommen. Ihm wurde blitzartig und erschreckend klar, dass er aufs Kreuz gelegt worden war, dass Rachel genau das hier gemeint hatte, als sie gesagt hatte, er würde es schon selber hinkriegen, wenn sie ihm zeigte, wie. Er wollte sie dafür hassen, aber er konnte es nicht; stattdessen kam Panik bei ihm auf.
Erneut betretenes Schweigen, und dann fing Fiona an zu weinen. Tränen traten ihr in die Augen, liefen ihr übers Gesicht und tropften auf ihren Pullover, während sie nur stumm dasaß, wie ein Kind, das nicht auf seine laufende Nase achtete. Eine Zeit lang dachte Will, er bräuchte es nur zu ignorieren, dann ginge es von selbst vorbei, aber insgeheim wusste er, dass er sie unmöglich ignorieren konnte, nicht, wenn er auch nur irgendetwas wert war.
»Was ist los?« Er versuchte es so auszusprechen, als sei ihm klar, dass es eine schwerwiegende Frage war, aber es kam ganz falsch heraus: Der
Weitere Kostenlose Bücher