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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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und schon im nächsten Moment schaute Mr Cross um die Ecke. Als er mich bemerkte, nickte er mir lediglich knapp zu   – kein Hallo, keine weitere Begrüßung   – und meinte: »Wie war das mit den fünf Minuten?«
    »Von mir aus können wir«, erwiderte Nate.
    »Also dann, Abmarsch!« Mr Cross verschwand wieder, in der Nähe schlug eine Tür zu, dann hörte ich dumpfes Motorengeräusch   – er hatte offensichtlich den Anlasser seines Wagens betätigt.
    »Ich muss.« Nate schnappte sich den Papierstapel und den Schlüsselbund. »Viel Spaß!«
    »Dir auch«, sagte ich. Während er hinter mir vorbeiging, drückte er kurz meine Schulter. Lief dann jedoch immer schneller und entschwand durch den Flur Richtung Haustür. Nachdem sie hinter ihm ins Schloss gefallen war, wurde es still im Haus.
    Ich schaute kurz nach den Kuchen, wusch mir die Hände,schaltete das Licht aus, verließ die Küche. Als ich auf die Tür zulief, die zur Terrasse führte, bemerkte ich am anderen Ende des Flurs eine Tür, die gerade weit genug offen stand, um den Blick auf ein Bett freizugeben. Darauf lag ordentlich zusammengefaltet das
USWIM
-Sweatshirt, das Nate mir an jenem Katastrophentag geliehen hatte.
    Keine Ahnung, was ich erwartet hatte. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass ich das Zimmer eines Jungen betrat. Chaos vielleicht. Das Poster einer Bikinischönheit an der Wand. Vielleicht ein gerahmtes Foto von Heather, Eintrittskarten und Sportabzeichen, die im Spiegelrahmen steckten, stapelweise CDs und Zeitschriften. Doch als ich die Tür ganz öffnete, sah ich nichts von alledem. Im Gegenteil, obwohl der Raum ausreichend möbliert war, fühlte er sich . . . leer an.
    Es gab ein ordentlich gemachtes Bett, eine Kommode, auf der eine Schale mit Kleingeld sowie ein paar Kronkorken stand. Seinen Rucksack hatte er auf einen Stuhl neben dem Schreibtisch geworfen, auf dem sein Laptop lag, der gerade aufgeladen wurde, denn das Akkulicht blinkte. Doch was die gerahmten Fotos oder den anderen Krimskrams betraf, mit dem ich fest gerechnet hatte: Fehlanzeige. Nichts in der Art von Marlas Kühlschrank-Collage, geschweige denn Sabrinas Katzenclub. Am ehesten erinnerte Nates Zimmer mich an die letzte Wohnung, zu der er mich mitgenommen hatte, denn es wirkte wie jene beinahe steril. Hinweise darauf, wer dort schlief, lebte und atmete, fehlten fast vollständig.
    Überrascht blieb ich einen Moment im Türrahmen stehen. Dann zog ich mich zurück, achtete allerdings darauf, die Tür genau in dem Winkel offen stehen zu lassen, wie ich sie vorgefunden hatte. Auf dem Weg durch den Garten zuunserem Haus dachte ich über sein Zimmer nach, versuchte zu ergründen, was genau mich daran so irritierte. Erst als ich unsere Terrasse betrat, dämmerte es mir: Es sah genauso aus wie meins. Als wäre es kaum bewohnt, unberührt. Als würde auch dieses Zimmer jemandem gehören, der gerade erst angekommen und sich nicht sicher war, wie lang er bleiben würde.
    ***
    »Könnt ihr bitte mal alle herhören? Hallo-o?!«
    Zunächst war das
Klingkling
kaum zu vernehmen. Doch während die Gäste allmählich ruhig wurden und allen, die noch redeten, signalisierten, still zu sein, wurde das Klingeln immer lauter. Bis es schließlich das einzige Geräusch war, das man noch hörte.
    »Danke.« Jamie legte die Gabel weg, mit der er gegen sein Weinglas geklopft hatte. »Als Erstes möchte ich mich bei euch bedanken, dass ihr gekommen seid. Es bedeutet uns sehr viel, dass ihr mit uns das erste Thanksgiving in unserem neuen Haus feiert.«
    »Hört, hört!«, sagte jemand im hinteren Teil des Raums. Spontaner Applaus brandete auf. Die Hunters waren eine ziemlich begeisterungsfähige Familie, was mir von dem Moment an aufgefallen war, als ich ihnen die Tür öffnete und ihre Mäntel entgegennahm. Jamies Mutter, Elinor, sprach zwar mit leiser Stimme, hatte aber ein ausgesprochen liebes, freundliches   – sprich: begeisterungsfähiges Gesicht. Sein Vater, Roger, hatte mich fest in den Arm genommen und mir übers Haar gewuschelt, als wäre ich zehn. Seine drei Schwestern waren genauso dunkle Typen wie Jamie und redeten genauso viel und gern, gleichgültig ob es um den Teich ging (über den sie sich lautstark und enthusiastischgeäußert hatten) oder die letzte Wahl (über deren Ergebnis und dessen Folgen sie sich zwar nicht einig waren und wieder lautstark rumdiskutieren, ohne sich jedoch ernsthaft in die Haare zu geraten). Außerdem waren anwesend: Kinder, Schwäger, diverse

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