About Ruby
seelenruhig ein Stück Ananas mit der Gabel auf. »Das wird ein großer Tag heute, nicht wahr?«, sagte er.
»Kann sein.« Ich nahm noch einen Löffel Cornflakes. Ich gebe es ungern zu, aber ich verspürte plötzlich einen Riesenhunger und musste mich beherrschen, um nicht alles auf einmal herunterzuschlingen. Wann ich das letzte Mal gefrühstückt hatte? Keine Ahnung.
»Ich weiß, neu an eine Schule zu kommen, ist hart«, sagte Jamie, während unmittelbar hintereinander drei weitere
Bing!
ertönten. Meine Güte, was für ein gefragter Mann. »Mein Vater war beim Militär. Acht Schulen in zwölf Jahren. So ein Mist. Ich war immer der Neue.«
»Wie lange warst du auf der Perkins Day?«, fragte ich.Dass es ihm so gut dort gefallen hatte, lag vielleicht an der Kürze der Zeit, die er dort verbracht hatte.
Bing! Bing!
»Die beiden letzten Schuljahre. Und die beste Zeit meines bisherigen Lebens.«
»Ehrlich?«
Er hob die Augenbrauen, nahm sich ein Glas und füllte es mit Orangensaft. »Mir schon klar, dass es dort anders ist als alles, was du bisher kennst«, bemerkte er. »Aber es ist auch nicht so übel, wie du anscheinend denkst.«
Ich verkniff mir jeden weiteren Kommentar. Vier weitere Nachrichten trudelten auf seinem Rechner ein, gefolgt von einem dumpfen Geräusch in meinem Rücken. Ich drehte mich um und sah gerade noch, wie Roscoe sich durch seine Hundetür zwängte.
»Hi Kumpel«, meinte Jamie, während Roscoe zu seinem Wassernapf trottete. »Wie sieht es draußen aus?«
Roscoes Anwort bestand in einem ausgiebigen Schlürfen, und seine Hundemarken klatschten im Takt gegen die Napfwand geräuschvoll mit. Ich hatte zum ersten Mal die Chance, ihn mir genauer anzusehen, und stellte fest, dass er ganz niedlich war, sofern man auf Minihunde steht, was ich nicht tue. Er wog keine zehn Kilo, war klein, gedrungen, schwarz, mit weißem Bauch und weißen Pfoten; seine Ohren standen kerzengerade von seinem Kopf ab. Außerdem hatte er eine wuschelige Mopsschnauze, was vermutlich der Grund dafür war, weswegen er ständig diese für ihn so typischen nasalen Laute von sich gab. Zumindest fand ich sie jetzt schon typisch. Nachdem er fertig getrunken hatte, rülpste er und kam zu uns herüber, wobei er unterwegs ein paar Male anhielt, um diverse Muffinkrümel aufzulecken.
Während ich Roscoe beobachtete, klingelte Jamies Laptopnoch häufiger; er hatte in den vergangenen fünf Minuten mindestens zwanzig Nachrichten bekommen. »Müsstest du das nicht . . . also, checkst du die nicht?«, fragte ich.
»Checke ich was nicht?«
»Deine Mails.« Ich nickte mit dem Kinn in Richtung des Laptops. »Du bekommst eine nach der anderen.«
»Das kann warten.« Plötzlich erhellte sich sein Gesicht. »Hallo Schlafmütze! Du bist ganz schön spät dran.«
»Jemand hat ständig auf die Schlummertaste gedrückt«, grummelte meine Schwester im Hereinkommen; sie war barfuß, trug eine schwarze Hose, eine weiße Bluse, und ihre Haare waren nass.
»Derselbe Jemand, der eine volle halbe Stunde vor dir hier unten war.« Jamie stand auf, trat ihr ein Stück entgegen.
Cora verdrehte die Augen, küsste ihn auf die Wange und schenkte sich einen Becher Kaffee ein. Mit dem Becher in der Hand beugte sie sich zu Roscoe hinunter, der um ihre Beine strich, und streichelte ihn. »Ihr solltet allmählich aufbrechen«, meinte sie. »Es herrscht ziemlich viel Verkehr um diese Zeit.«
»Schleichwege«, erwiderte Jamie zuversichtlich. Ich schob meinen Stuhl zurück, zog meinen Pullover runter und trug meinen Teller und mein Schüsselchen, die nun beide leer waren, zur Spüle. »Früher habe ich es in glatt zehn Minuten zur Schule geschafft, inklusive Ampeln.«
»Das war vor zehn Jahren«, antwortete Cora. »Die Zeiten haben sich geändert.«
»So sehr nun auch wieder nicht«, entgegnete Jamie.
Sein Laptop gab wieder ein
Bing!
von sich, doch genau wie er beachtete auch Cora das nicht weiter. Stattdessen ließ sie mich nicht aus den Augen, während ich mich vorbeugte, um meinen Teller in die Spülmaschine zu stellen.»Hast du . . .?«, begann sie, hielt dann jedoch inne. Als ich ihren Blick erwiderte, fuhr sie fort: »Vielleicht sollte ich dir etwas zum Anziehen leihen.«
»Nicht nötig, ist schon okay«, sagte ich.
Sie biss sich auf die Unterlippe und starrte exakt auf den Streifen nackte Haut zwischen dem Saum des Pullovers und meiner Gürtelschnalle, den ich den ganzen Morgen schon zu bedecken versuchte. »Ach, komm einfach mit«, entgegnete
Weitere Kostenlose Bücher