Abraham Lincoln - Vampirjäger
Wucht auf Deck, dass alle Luft aus meinen Lungen wich. Blitzschnell rollte ich mich auf den Rücken, jede Stelle meines Körpers schmerzte, und ich hielt die Messer hoch, um mir die Vampirin damit vom Leibe zu halten. Doch sie packte sie an den Klingen und entriss sie mir mit einem Ruck – so dass mir nichts als meine bloßen Fäuste blieben, um mich zu verteidigen. Ich sprang auf die Füße, stürzte mich auf den elendigen alten Dämon und schlug dabei wild um mich. Meine Augen hätten genauso gut verbunden gewesen sein können – mit solcher Mühelosigkeit wich sie jedem meiner Hiebe aus. Plötzlich verspürte ich einen brennenden Schmerz in der Mitte – beinahe hätte es mich von den Füßen geworfen und ich wäre auf den schlafenden Jungen gefallen.
Die Faust der Vampirin hatte Abe mehrere Rippen gebrochen. Er taumelte, als sie ihm noch einen Schlag in die Magengrube versetzte … und noch einen. Er hustete, Blutstropfen spritzten ihr ins Gesicht.
Da hielt sie inne, fuhr sich mit dem knochigen Finger über die Wange und führte ihn dann an die Lippen. »Köstlich«, sagte sie mit einem Lächeln. Ich hielt mich mühsam auf den Beinen, denn ich wusste, wenn ich noch einmal fiel, dann wäre es das letzte Mal. Ich dachte an meinen Großvater – daran, wie sein Gesicht von den Fäusten eines Vampirs zertrümmert worden war. Daran, dass es ihm nicht gelungen war, auch nur einen Gegenschlag zu platzieren. Ich weigerte mich, mich demselben Schicksal zu beugen. Ich nutzte ihr kurzes Innehalten zu meinen Gunsten, fand die letzte Waffe, die ich noch in meinem Mantel versteckt hatte. Ein kleines Messer. Mit letzter Kraft stürzte ich mich auf sie und stieß ihr die Klinge in den Bauch. Doch meine Attacke schien ihre Laune nur noch zu heben. Sie packte mich am Handgelenk und zog es samt Messer lauthals lachend einmal quer durch Bauchdecke und Eingeweide. Dann spürte ich, wie meine Füße den Boden verließen; spürte ihre Hände an meiner Kehle, und im nächsten Moment war ich dabei, zu ertrinken. Sie drückte mir den Kopf unter Wasser; mein Rücken wurde dabei gegen das Boot gedrängt. Meine Füße strampelten heftig dagegen an. Ich konnte nichts tun, als hoch in ihr Gesicht zu blicken. Ihr faltiges Gesicht wirkte durchs Wasser hindurch geglättet. Dann lösten sich meine Gedanken vom Todeskampf, und eine seltsame Freude überkam mich. Es würde bald vorbei sein, und ich würde endlich Frieden finden. Die Form der schwarzen Augen über mir änderte sich, als das Wasser sich langsam beruhigte. Als ich anfing, mich zu beruhigen. Bald würde ich bei ihr sein. Es war Nacht.
Dann tauchte er auf.
Abe war fast nicht mehr bei Bewusstsein, als die alte Frau über ihm plötzlich verschwand – zurück auf das Boot gezogen wurde. Als ihre Hände ihn nicht länger unter Wasser festhielten, sank er sanft auf den Grund des Flusses.
Von göttlicher Hand wurde ich aus der Tiefe gezogen. Wurde auf Deck des kleinen Kahns neben den schlafenden Jungen im weißen Nachthemd gelegt. Von diesem Blickwinkel aus beobachtete ich, was nun geschah, während ich zwischen Wachzustand und Bewusstlosigkeit schwankte. Ich hörte die Frau schreien: »Verräter!« Ich sah die Umrisse eines Mannes, der mit ihr rang. Ich sah ihren Kopf aufs Deck vor mir fallen. Man hatte ihn ihr vom Körper getrennt. Und dann sah ich nichts mehr.
II
»Oft, uns in eignes Elend zu verlocken, erzählen Wahrheit uns des Dunkels Schergen, verlocken erst durch schuldlos Spielwerk, um vernichtend uns im Letzten zu betrügen.« 9
9 Macbeth, erster Aufzug, erste Szene
Ich erwachte in einem fensterlosen Raum. Mir gegenüber saß ein Mann, der im Schein einer Öllampe las. Er zählte vielleicht fünfundzwanzig Lenze, war von schlanker Statur und trug dunkles, schulterlanges Haar. Als er bemerkte, dass ich erwacht war, unterbrach er seine Lektüre und legte ein Lesezeichen zwischen die Seiten eines umfangreichen, in Leder gebundenen Buches. Ich stellte die einzige Frage, die in diesem Moment eine Rolle spielte. Die Frage, die mich bereits in meinen Träumen verfolgt hatte.
»Der Junge … ist er … ?«
»In Sicherheit. Dort, wo man ihn finden wird.«
Sein Akzent ließ auf keine bestimmte Herkunft schließen. War er Engländer? Amerikaner? Schotte? Er saß neben mir auf einem aufwendig verzierten Lehnstuhl, trug eine dunkle Hose und hatte die Beine elegant übereinandergeschlagen, die Ärmel seines blauen Hemds waren bis zum Ellenbogen hochgekrempelt, und ein kleines,
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