Abraxmata
grünen Teppich fast erreicht, der ihr schon einmal furchtbare Schmerzen zugefügt hatte, sodass sie ihm jetzt sehr respektvoll begegnete. Wie das Zischen einer Schlange, von weit weg, die in einem atemberaubenden Tempo auf sie zuglitt, konnte sie das auf sie zukommende rasselnde Atmen von Hunderten kleiner Geschöpfe hören. Entsetzt blickte sie nach unten. Murus hing bereits einige Meter über dem Boden in der Wand. Araton stand noch am Boden. Er hatte seine Hand an die Erdwand gelegt und einen Fuß darauf gestellt, bereit, loszuklettern.
Er blickte in Richtung des beunruhigenden Geräusches, aber Hevea konnte keine Angst oder Verzweiflung in seinen Augen erkennen. Er wirkte entspannt, fast lässig. Chamor befand sich noch ein gutes Stück von der Wand entfernt. Er wirkte immer noch abwesend, nicht wahrnehmend, was um ihn herum geschah. Araton hatte seinen Blick auf Chamor gewendet. Er sagte etwas zu ihm, doch es kam keine Reaktion. Vielleicht wollte er es nicht verstehen, er wirkte resigniert. Vielleicht konnte er es aber auch nicht verstehen. Wie eine riesige Welle konnte Hevea die Armee von Santorinen sehen, die sich in den Tunnel, entgegengesetzt zu dem Eingang, von dem aus die vier Flüchtlinge den Ausgang erreicht hatten, ergoss und unaufhaltsam auf sie zuschoss. Für einen Moment gab sich Hevea der absurden Hoffnung hin, die Santorinen würden alle in dem schmalen Tunnelausgang stecken bleiben und sich somit selbst eliminieren.
In den Augen der Santorinen blitzte Wut auf, mindestens genauso hell wie ihre weißen Kappen im dunkelgrünen Schein der durch das Blätterdach dringenden Sonne blitzten. Sie türmten sich beim Durchbruch aus dem Tunnel zu einer riesigen Pyramide auf, sprangen kreischend über ihre Mitstreiter und füllten das gesamte Loch bis zur Decke aus, um dann fast gleichzeitig an die Eingangsfalle zu ihrer Welt zu gelangen und sich zuerst auf Chamor und dann auf Araton zu stürzen. Von Chamor war bereits nach wenigen Sekunden nichts mehr zu sehen. Dutzende von Santorinen hatten seinen gesamten Körper besetzt. Hevea sah mit Tränen zu, wie Chamor seine erneute Gefangennahme über sich ergehen ließ, ohne zu schreien, ohne um Hilfe zu rufen, ohne den geringsten Widerstand zu leisten.
Araton konnte den Widerstand gegen die kleinen Monster ziemlich lange aufrechterhalten. Immer wieder schüttelte er die Santorinen von sich ab, riss sie sich mit seiner Hand vom Körper und schleuderte sie in die nächste Ecke, wenn sie ihn zu Dutzenden gleichzeitig ansprangen. Dann waren es zehn Santorinen, die gleichzeitig auf seinen Kopf und Hals sprangen und ihm die Augen zuhielten, während mindestens zwanzig andere an seinen Füßen rissen, bis Araton überwältigt war und in den Staub fiel. Wie auf ein gefundenes Fressen stürzten sich unzählige weitere Untergrundbewohner auf Araton, bis auch von ihm nichts mehr zu sehen war. Nur seine Stimme schrie ungebrochen und stolz ein Wort, das Murus und Hevea galt: »Flieht!«
Hevea verstand nicht, wieso Murus nicht floh. Während des gesamten Schauspiels hatte er wie angewurzelt in der Wand gehangen und sich keinen Zentimeter fortbewegt. Er schien seine Freunde nicht im Stich lassen zu wollen, aber mit seiner eigenen Gefangennahme half er ihnen mit Sicherheit auch nicht. Hevea hatte Panik, Panik davor, wieder alleine zu sein, selbst entscheiden zu müssen und nicht helfen zu können. Losgezogen waren sie, um Abraxmata zu helfen und waren immer wieder in die größten Schwierigkeiten geraten, als ob eine Macht mit allen Mitteln verhindern wollte, dass sie dem Azillo, von dem ihrer aller Schicksal abhing, helfen konnten, wo immer er jetzt auch war.
Die wütenden Blicke der Santorinen hatten sich auf den Commodor gerichtet. Hevea beurteilte Murus’ Situation als relativ sicher. Er war ein recht guter Kletterer, und so schnell wie er waren die Morgentauwaldzwerge mit ihren feinen und kurzen Gliedmaßen bestimmt nicht. Hevea musste mit starrem Blick erkennen, dass sie sich geirrt hatte. Mit einer Leichtigkeit, als bewegten sie sich ganz normal auf dem Boden, liefen die Santorinen in einem rasanten Tempo die Erdwand nach oben, ohne die Hände einsetzen zu müssen, als wäre ein unsichtbarer Faden an ihren Köpfen befestigt, mit dem man sie nach oben zog. Hevea schloss die Augen, als die ersten kleinen dunklen Gestalten Murus erreicht hatten und nur noch ihre Hand ausstrecken mussten, um ihn am Fuß zu packen. Als Hevea wieder durch ihre Augen blinzelte, hing Murus
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