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Abraxmata

Abraxmata

Titel: Abraxmata Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Bannert
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»Wir werden gegen einen sehr starken Druck nach unten ankämpfen müssen«, fügte Murus noch hinzu. Er war sich darüber im Klaren, dass sie niemals gegen den Sog ankämen, aber er hatte immer noch diese eine Vermutung, diese eine Hoffnung, die ihm durchaus plausibel erschien und die ihm die Kraft gab, weiterzufliegen.
    Das Atmen des stolzen Commodore wurde lauter und unregelmäßiger, als er am Rande des Tales neben Hevea in der Luft stehen blieb.
    »Du musst nach oben schießen, so schnell du kannst«, hauchte er zu Hevea. Ihr Nicken löste eine dunkelrote Rakete aus.
    Murus beschleunigte so stark er konnte mit seinen großen Flügeln und schoss auf ein flimmerndes Luftfeld zu. Hevea hatte überhaupt keine Möglichkeit, über irgendetwas nachzudenken oder große Ängste aufkommen zu lassen. Sie tat es ihm gleich. Der Druck nach unten drohte sie wie ein schwerer Felsen zu erdrücken. Heveas Flügel brannten, aber sie tat nichts anderes als zu kämpfen. Wie von stärkstem Wind umwirbelt konnte sie den verschwommenen dunkelroten Körper von Murus neben sich erkennen. Ein kleiner Wirbel bildete sich unter ihr und zog an ihren Seiten nach oben, bis er sie vollkommen umschlossen hatte. Ein Rauschen war zu hören. Hevea hörte auf, panikartig mit ihren Flügeln zu schlagen. Sie glitt langsam nach oben und musste nichts mehr tun. Sanft wurde der Gilko von dem Wirbel auf die Wiese gespuckt.
    Murus rappelte sich auf. Er atmete tief ein und erfreute sich an den Bildern und den Gerüchen. Er war so glücklich wieder hier zu sein. Seine Vermutung war richtig gewesen. Der Sog hatte sich umgekehrt und sie waren sicher angekommen.
    Neben ihm saß auf den roten Wasukas Hevea. Sie sagte kein Wort. Murus beugte sich zu ihr herunter.
    »Ich bin furchtbar stolz auf dich und dankbar, dass du mich nicht alleine gelassen hast.« Hevea lächelte jetzt. Sie war überwältigt von der Schönheit Kismets. Sie hatte immer gedacht, dass Murus in seinen Abenteuergeschichten ein bisschen übertrieb. Aber er hatte nicht mit einer Silbe übertrieben. Am Anfang hatte sie gedacht, sie befände sich noch immer in dem Sog, der ihr ein atemberaubendes Farbenspiel vorgaukelte.
    »Los, komm«, sagte Murus, »reiß dich von deinem Blick los, es gibt noch so viel mehr zu sehen.« Murus machte sich auf den Weg zu den Kobeln der Feen von Kismet, zu diesen wunderbar duftenden gelben Blumen. Er erzählte mit einem Feuer der Begeisterung von Toska und dass er hier das erste Mal die genaue Herkunft über sein Nest erfahren hatte. Hevea hatte vieles in seinen Schilderungen schon mindestens einmal gehört, aber die große Freude, die Murus am Erzählen hatte, half ihr ein bisschen, dem Boden der Tatsachen zu entfliehen.
    Murus erstarrte. Er brachte kein Wort hervor, schluckte schwer, als würde er jeden Moment ersticken. Der Gestank nach verbranntem Fleisch und Krieg vermischte sich mit dem Duft der leuchtend bunten Blütenfelder in der Ferne. Murus hatte es mit keinem Schritt gewagt, den verkohlten Boden zu betreten. Nur an wenigen Stellen spitzte noch ein gelbes Blütenblatt aus der Asche, als wäre es zu stolz gewesen, mit den anderen zu verbrennen. Von den Reihen kunstvoll gestalteter Kobel, von denen Murus so begeistert gewesen war, weil sie auf die gleiche Weise gemacht waren wie sein Nest, war nicht mehr viel zu erkennen. Hevea konnte sie nur noch unter den schwarzen, zerstörten Haufen erahnen.
    »Es ist so weit. Wir befinden uns mitten im Krieg. Es ist zu spät«, sagte Hevea weinerlich.
    »Ich habe mich schon gewundert, warum uns keiner bemerkt hat, keiner uns entgegengekommen ist, uns niemand abgeholt hat.« Murus wurde in seinen Ausführungen immer leiser, sodass Hevea die letzten Worte seines Satzes kaum noch verstehen konnte.
    Es war ein furchtbares, seltsames Gefühl, als Murus begann seine Schritte über das Schlachtfeld zu setzen und Hevea dicht über ihm flog. Manchmal hatte sie das Gefühl, er würde gleich umkippen, dann glaubte sie, wieder Stärke und Mut in seinem Gesicht zu erkennen. Er wandte den Blick demonstrativ von den halbschwarzen Leichen der vielen Feen ab. Niemand war da. Keiner schien übrig geblieben zu sein, der den Toten die letzte Ehre erwies. Die Annahme, dass Murus keinen der Toten bewusst wahrnahm, musste Hevea revidieren, als Murus weinend vor einer sehr zierlichen Leiche zusammenbrach und in den Staub sank.
    Durch die zarten Finger der unverkohlten, makellosen Hand war ein dünner Goldfaden gezogen, der an einem Ende den

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