Abraxmata
Höhle der Gilkos. Jemand, der nicht aus dem Morgentauwald stammt, oder einer der Santorinen wäre ihnen vielleicht aufgefallen, aber ansonsten hat wirklich jeder die Möglichkeit, eine Nachricht auf ein Jamorablatt zu schreiben.« Dann fuhr Araton in seiner Suche nach dem Auslöser für das Öffnen der Falle fort. »Ich vermute, dass es irgendeine Pflanze ist, die sich bei Berührung zusammenzieht und dann den anderen Pflanzenbelag mit zur Seite reißt. Ich glaube nicht einmal, dass es wirklich eine Falle ist. Die Santorinen benutzen selbst diesen Eingang.« Vertieft in seine Arbeit sagte er noch: »Es wäre einfach perfekt, wenn wir unbemerkt hinunterkommen würden. Der Vorteil wäre voll auf unserer Seite.« Araton bemerkte eine Thigmotaxe. Ihm war sofort klar, dass er gefunden hatte, wonach er suchte. Er kannte diese giftgrünen Schlingpflanzen von seinen Reisen. Sie konnten ungeheuer dick werden, so dick wie er selbst, aber meistens sah man an der Oberfläche nur das dünne, junge Ende in hellem Grün. »Ich hab’s gefunden«, rief er Hevea zu, die sofort nahe zu ihm heruntergeflogen kam. »Pass auf, ich weiß nicht, wie weit sich die Thigmotaxe durch den Boden wühlt und ich möchte nicht hinunterstürzen und mit dem Aufprall sofort unsere Anwesenheit verkünden.
Ich gehe ein gutes Stück zurück, und auf mein Zeichen ziehst du so fest du kannst an diesem Stück Pflanze.« Und er deutete auf das Ende der Thigmotaxe, ohne sie auch nur ganz leicht zu berühren.
Hevea hatte ein mulmiges Gefühl, als sie auf Aratons Wink auf die Pflanze zuflog, die ihr plötzlich wie ein Monster vorkam. Sie hatte den grünen Stiel gerade berührt, als ohne ein besonders lautes Geräusch der Boden unter ihr aufbrach und die anderen Pflanzen, wie es Araton vorausgesagt hatte, zur Seite gerissen wurden. Als Hevea in das sich ergebende Loch sah, konnte sie die Thigmotaxe am Rande des Loches in ihrer vollen Größe bewundern. Meterlang wand sich die grüne Riesenpflanze um die Falle herum, bereit, sie sofort wieder zuzuschnüren.
»Wir müssen uns beeilen«, sagte Araton und begann, sich an Wurzeln festhaltend, die steile Erdwand hinunterzuklettern. Hevea folgte ihm.
»Na, gefällt dir unser roter Saal?«, ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihm. »Ich liebe die langen, festlichen Tafeln aus roten Koronawurzeln. Wenn man sie poliert, dann glänzen sie durch den ganzen Raum.«
Murus starrte fassungslos ins Leere. »Wo ist Chamor?«, fragte er.
»Dein Freund ist noch nicht aus seiner Suite herausgekommen. Es scheint ihm so gut darin zu gefallen, dass er sie gar nicht mehr verlassen möchte. Ist ja auch mit Abstand das schönste Zimmer«, sagte die Stimme lachend.
Murus schüttelte den Kopf. Das hier war ihm unbegreiflich. »Chamor war bewusstlos«, setzte Murus an, doch er wurde gleich wieder unterbrochen.
»Chamor, wie du ihn nennst, ist längst wieder aufgewacht. Er ist in der Zeit, in der er nicht bei Bewusstsein war, bestens gepflegt worden und jetzt steht ein köstliches Menü in seinem Zimmer für ihn bereit, aber er hat es, soweit ich weiß, noch nicht angerührt. Vielleicht mag er keine Pilze und Wurzeln.«
Murus wurde ungeduldig. »Natürlich mag er. Wenn er Hunger hat, dann würde Chamor alles essen. Verstehst du denn nicht? Er fühlt sich als euer Gefangener. Für ihn wie für mich ist nichts schön hier unten, wir sehen nichts, verdammt noch mal. Für uns ist es nur finsterste Dunkelheit ohne Leben.« Murus bedauerte, die Gesichtszüge des Santorinen nicht sehen zu können. Für einen langen Moment trat eine erdrückende Stille ein, und Murus hätte allzu gerne gewusst, ob der Santorine geschockt war, ob er verstanden hatte und ob er sich schämte. Vielleicht war alles auch nur ein Trick, mit dem der Santorine ihn hinters Licht führen wollte. Murus wusste nicht, ob er dem Santorinen vertrauen konnte. Er durfte ihm nicht vertrauen. »Für wen arbeitet ihr? Mit wem seid ihr verbündet?«, fragte Murus, doch er bekam keine Antwort.
Die Stimme aus der Dunkelheit klang jetzt erschüttert und gebrochen. »Mein Name ist Biharun. Ich bin Anführer der Santorinen, aber diesen Begriff hast du wohl noch nie gehört. Wir leben in unserer eigenen Welt unter der Erde, und es kommt nur sehr, sehr selten vor, dass sich jemand zu uns verirrt. Aber wenn dies doch einmal der Fall ist, dann ist und bleibt die Gastfreundschaft der Santorinen unübertroffen. Die unbegründete Furcht der anderen Bewohner des Morgentauwaldes ist
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