Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
nächsten Mal aussieht.«
»Wie meinst du das?«
»Weil diese Leute immer aggressiver werden. Ich stamme aus Kreta, und unsere Familie steht traditionell links. Mein Großvater hat mit seinem Bruder gegen die Deutschen gekämpft. Sein Bruder war nach dem Bürgerkrieg in der Demokratischen Armee und hat sich fünf Jahre lang in den Bergen versteckt, um der Verbannung zu entgehen. Nur weil sich mein Großvater am Bürgerkrieg nicht beteiligt hatte, wurde ich – auf Druck unseres lokalen Parlamentsabgeordneten – in die Polizeischule aufgenommen. Wenn die Rechten sagen: ›Polizisten sind unsere Brüder‹, so hat das was, denn Gesinnungsgenossen finden sich mit Sicherheit bei der Polizei. Ich dagegen bin für die ein rotes Tuch.«
Bis zum Korydallos-Gefängnis brauchen wir fast eine Dreiviertelstunde. Als ich am Tor meinen Namen nenne, führt mich ein Wärter zum Büro des Direktors. Kurz spiele ich mit dem Gedanken, Papadakis mitzunehmen, aber ich fürchte, dass Kyriakos dann seine innere Panzertür erst recht nicht öffnet, um in Manias Bild zu bleiben.
»Ich lasse Demertsis herholen, dann können Sie ihn in aller Ruhe vernehmen«, meint der Gefängnisdirektor und lässt mich allein.
Nach einer kurzen Wartezeit öffnet sich die Tür, und Kyriakos tritt ein. Er hat dieselben Sachen an wie damals in Peressiadis’ Büro.
»Guten Tag, Herr Kommissar«, begrüßt er mich höflich.
»Guten Tag, Kyriakos. Setzen Sie sich.«
Ich deute auf den Stuhl vor dem Schreibtisch des Direktors und nehme ihm gegenüber Platz.
Äußerlich ist ihm nicht anzusehen, ob ihn der Gefängnisaufenthalt mitnimmt. Jedenfalls wirkt er weder gebrochen noch gereizt – was eigentlich zu erwarten wäre, bei einem jungen Mann, der erst gerade in Haft genommen wurde. Er blickt mir gefasst mit einem fast herzlichen Lächeln entgegen.
»Ich wollte mit Ihnen über den Tod Ihres Vaters sprechen«, sage ich und nehme dabei seinen freundlichen Tonfall auf. »Sie werden verstehen, dass wir mit unseren Ermittlungen beim engsten familiären Umfeld anfangen.«
»Was ich weiß, habe ich Ihrer Tochter schon gesagt«, antwortet er reserviert.
»Strafverteidiger geben den Inhalt ihrer Mandantengespräche nicht an die Polizei weiter, auch nicht, wenn der Vater der Strafverteidigerin zufällig bei der Polizei ist. Übrigens habe ich Ihnen noch gar nicht zum Tod Ihres Vaters kondoliert. Aber legen Sie überhaupt Wert darauf?«
Eine solche Frage hat er nicht erwartet. »Wie kommen Sie auf so etwas?«, meint er überrascht.
»Weil mir bei Ihrer Begegnung im Präsidium aufgefallen ist, wie – milde ausgedrückt – abweisend Sie zu ihm waren. Wieso haben Sie Ihren Vater dermaßen abgelehnt?«
»Ich konnte seine Heuchelei nicht mehr ertragen«, antwortet er, ohne zu zögern.
»Haben Sie ihn als verlogen empfunden? Nur Ihnen oder auch anderen gegenüber?«
»Wissen Sie, mein Vater war ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann. Er hat bei null angefangen und ein Riesenvermögen gemacht. Kein erfolgreicher Geschäftsmann verdient sein Geld mit dem Rosenkranz in der Hand. Er lässt seine Verbindungen spielen, tätigt Geschäfte unter der Hand, schmiert an den nötigen Stellen und finanziert Parteien und Politiker. All das ebnet ihm den Weg zum Erfolg. Mein Vater hat jedoch nie über seine Beziehungen oder seine Erfolge gesprochen, sondern immer nur über seine Aktionen als Regimegegner. Kaum kam die Rede aufs Geschäft, hat er das Thema gewechselt und vom Polytechnikum und vom Widerstand erzählt. Mit dem Hinweis auf sein damaliges politisches Engagement hat er, wie mit einem Schwamm, alles andere vom Tisch gewischt.«
»Trotzdem wollte er, dass Sie in seine Fußstapfen im Unternehmen treten.«
Er lacht auf.
»Petrakos sollte mich in die Finanzabteilung einweisen, dabei habe ich von Buchhaltung keine Ahnung. Dann sollte ich zur technischen Abteilung wechseln und nach der Auffrischung meiner Kenntnisse Generaldirektor werden und mein Vater Vorstandsvorsitzender. Haben Sie Christos Petrakos getroffen, Herr Kommissar?«
»Ja, im Zuge der Befragungen bei der Domotechniki.«
»Petrakos war Auge und Ohr meines Vaters in der Firma. Wissen Sie, wo sich die beiden kennengelernt haben?«
»Nein.«
»Bei der Militärpolizei, Herr Kommissar.«
»Bei der Militärpolizei?«, wiederhole ich ungläubig.
»Ja, als man ihn dort gefoltert hat. Es war sozusagen eine Kollateralbekanntschaft. Mein Vater hat mir erzählt, Petrakos hätte ihm sehr geholfen. Gut,
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