Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
Nähe erschossen haben, als er in den Wagen steigen wollte. Sein Schädel ist vollkommen zertrümmert.
Da die Gegend ruhig ist, müsste es Ohrenzeugen für den Schuss geben.
»Dreht mal eine Runde unter den Schaulustigen, und fragt, ob jemand einen Schuss gehört hat«, sage ich zu Papadakis. »Dann können die sich wenigstens nützlich machen, anstatt nur zu gaffen.«
Zunächst trifft der Transporter der Kriminaltechnik ein.
»Wieder dieselbe Nummer?«, fragt mich Dimitriou, der aus dem Wagen springt.
»Scheint so, auf den ersten Blick jedenfalls.«
Er nähert sich dem toten Theologis und wirft ein Auge auf ihn.
»Er wurde aus nächster Nähe erschossen.«
»Genau. Stavropoulos muss nur noch die Tatzeit feststellen.«
»Und was sollen wir tun?«
»Das Projektil hat Vorrang. Wir müssen klären, ob beide Morde mit derselben Waffe begangen wurden.«
Er macht sich an die Arbeit. Die Schaulustigen haben Grüppchen gebildet und unterhalten sich angeregt. Der Rektor sitzt in seinem BMW und starrt durch die Windschutzscheibe in Richtung Kokkinopoulou-Straße ins Nichts. Ich öffne die Beifahrertür und nehme neben ihm Platz.
»Mir fehlen die Worte«, murmelt er tonlos. »Ganz ehrlich. Wie weit können Streitigkeiten mit einem Juristen, ja einem Universitätsprofessor gehen, dass man ihn tötet, und noch dazu auf dem Gelände des Polytechnikums?«
Ich erspare mir den Kommentar, dass sich der Ort aufgrund seiner Weitläufigkeit und Ödnis ideal für einen Mord eignet. Ich fange lieber mit den naheliegenden Dingen an.
»Was ist das für ein Gebäude dort oben?«, frage ich ihn einleitend.
»Das ist ein ganzer Komplex. Man nennt ihn den ›Neubau‹. Dort ist eine Reihe von Instituten untergebracht.«
»Und das helle Gebäude auf der anderen Straßenseite?«
»Vorlesungssäle.«
»Wissen Sie vielleicht, in welchem der beiden Bauten Nikos Theologis unterrichtet hat?«
»Da er sein Auto in dem Sträßchen abgestellt hat, müsste es im Neubau gewesen sein. Aber genau kann ich Ihnen das nicht sagen. Wie die einzelnen Abteilungen die Vorlesungssäle unter sich aufteilen, entzieht sich meiner Kenntnis.«
Ich frage mich, warum er den Wagen nicht direkt vor dem Neubau geparkt hat, sondern in der Gasse. Plante er vielleicht ein Treffen, das nicht vor aller Augen am Eingang des Gebäudes stattfinden sollte?
»Die Erklärung ist einfach«, sagt der Rektor zu mir, als ich ihm die Frage stelle. »Viele Vorlesungen finden nachmittags und abends statt. Da sind die Parkplätze vor dem Neubau belegt. Wer später kommt, parkt dann entweder in dem Sträßchen oder hier unten.«
»Nikos Theologis war Professor für Strafrecht, wenn ich nicht irre. Entschuldigen Sie, aber mir ist nicht ganz klar, was ein Jurist am Polytechnikum zu tun hat.«
»Gewisse Fakultäten bieten juristische Vorlesungen an. Herr Theologis hat meines Wissens Seminare über die strafrechtliche Verantwortung in Baufragen abgehalten.«
»Hatte er eine Kanzlei?«
»Sicher, er war ein sehr bekannter Strafrechtler.«
»Wissen Sie vielleicht, ob er Fälle übernommen hat, die mit Geldwäsche oder mit dem organisierten Verbrechen zu tun hatten?«
»Keine Ahnung. Das müssen Sie seine Kanzlei fragen.«
»Geben Sie mir einen Eindruck von seiner Persönlichkeit. Was war er für ein Mensch?«
»Er war ein hervorragender Wissenschaftler.«
Das nehme ich schweigend hin, denn ich weiß, dass ich auf diesem Campus, egal, wo ich auch anklopfe, lauter hervorragende Wissenschaftler antreffen werde. Allerdings lässt mich diese Tatsache völlig kalt. Niemand tötet einen Universitätsprofessor, nur weil er ein schlechter Wissenschaftler ist.
»Als Dozent hat er sich voll und ganz seinem Fachgebiet und seinen Studenten gewidmet und daneben noch umfangreich publiziert«, rundet der Rektor die Lobhudelei ab. Wenn er so weitermacht, entsteht gleich eine Art Heiligenikone, die sich Adriani auf den Hausaltar stellen könnte.
»Wie waren seine Beziehungen innerhalb der Uni? Sind Ihnen Reibereien oder Konflikte mit anderen Kollegen zu Ohren gekommen?«
»Schauen Sie, Herr Kommissar. Als Rektor des Polytechnikums weiß ich über das Tagesgeschäft an der Universität und über die Beziehungen, die ein bestimmter Kollege dabei hatte, nicht sehr gut Bescheid. Generell kann ich Ihnen sagen, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft groß ist und viele ausführende Organe hat. Da gibt es den Senat, die Fachbereiche, das hierarchisch gegliederte Lehr- und Ausbildungspersonal,
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