Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
eigentlich auf den Keks gehen, habe ich heute ausnahmsweise nichts dagegen, weil ich mich dabei ganz meinen Gedanken hingeben kann.
Weil Theologis ebenfalls der Generation Polytechnikum angehört, wurde ihm anscheinend dasselbe Schicksal wie Demertsis zuteil. Zumindest lassen das die beiden nach gleichem Muster fabrizierten Anrufe in der Notrufzentrale vermuten. Wenn wir jedoch bei Theologis keine Handy-Botschaft vorfinden und auch die Tatwaffe nicht übereinstimmt, besteht die Möglichkeit, dass der Anrufer denselben Wortlaut benutzt hat, um uns in die Irre zu führen. Das Telefonat war die einzige Information, über die in den Medien ausführlich berichtet wurde. Zum Glück hat die Handy-Botschaft mit der Anspielung auf das Polytechnikum nicht auch noch die Runde gemacht.
Aber wenn wir auf dieselbe Handy-Botschaft treffen und die Tatwaffe übereinstimmt, dann haben wir es entweder mit einem Serienmörder zu tun, dessen Lebensziel es ist, die Generation Polytechnikum auszumerzen, oder Gonatas liegt falsch, und es handelt sich doch um einen Terrorangriff. Womöglich tut Thanassis Lakodimos gut daran, seine Villa durch Sicherheitssysteme hermetisch abzuriegeln und sich in seiner Festung zu verschanzen.
»In fünfzig Metern nach links abbiegen. Sie sind am Ziel«, sagt die einschmeichelnde Navi-Stimme.
Das »Ziel« ist gut sichtbar, da der Tatort abgesperrt ist und von den Scheinwerfern der Streifenwagen erleuchtet wird.
Ich parke vor ein paar Treppenstufen, die zu einem großen, nur spärlich erleuchteten Gebäude hochführen. Das Absperrungsband ist am Fuß der Treppe angebracht. Auf der gegenüberliegenden Seite der öden Straße, die mich hergeführt hat, kann ich ein zweites, nicht ganz so großes Gebäude und eine kleine Kirche erkennen.
Sowohl vor dem großen Gebäude als auch auf der Zufahrtsstraße hat sich mittlerweile eine Menge Gaffer versammelt, die das Schauspiel verfolgt. Die meisten werden wohl Studenten sein.
»Was haben Bullen auf dem Campus zu suchen?«, erhebt sich eine Stimme aus der Menge.
»Hier gilt das Universitätsasyl«, ergänzt eine zweite.
»Ich habe die Polizei gerufen«, sagt ein Fünfzigjähriger in Anzug und Krawatte, der hinter dem Absperrungsband steht. »Professor Theologis ist tot, und man kann nicht ausschließen, dass er einem Mord zum Opfer gefallen ist. Dafür ist die Polizei zuständig. Es liegt also keine Verletzung des Universitätsasyls vor.«
Aus seiner Aufmachung und aus seinen Worten schließe ich, dass es sich um den Rektor der Universität handeln könnte, und gehe auf ihn zu.
»Sind Sie der Rektor?«, frage ich.
»Ja, Jannis Fokianos.«
»Kommissar Charitos«, stelle ich mich vor. »Wer hat Sie benachrichtigt?«
»Ich erhielt einen Anruf von der Polizei. Mir wurde gesagt, es sei ein anonymer Anruf eingegangen, dass sich auf dem Gelände des Polytechnikums ein Toter befinden soll. Man bat um meine Erlaubnis, den Fall zu untersuchen. Dann wurde mir die genaue Stelle durchgegeben, und ich bin ich zuerst einmal hierhergefahren, um die Sache zu überprüfen.« Er hält inne und ringt um Fassung. »Ein erschütternder Anblick… Ich habe sofort Ihre Kollegen zurückgerufen und sie herbestellt.«
»Ich möchte Sie bitten hierzubleiben. Ich würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen, um mir ein erstes Bild zu machen.«
»Dann warte ich in meinem Büro.«
»Wäre es möglich, dass Sie hier vor Ort bleiben? Wir möchten Auseinandersetzungen mit den Studenten vermeiden.«
»Schön, dann setze ich mich in meinen Wagen. Er steht dort drüben.« Er deutet auf einen weinroten BMW .
Dermitsakis und Papadakis stehen ein Stück entfernt außerhalb des Absperrungsbandes und blicken mir entgegen.
»Wer hat den Rektor verständigt?«, frage ich sie.
»Wir«, entgegnet Dermitsakis. »Wir haben uns gedacht, den Campus des Polytechnikums sollten wir lieber nicht ohne Genehmigung betreten. Vom Revier in Kessariani haben wir uns die Nummer des Rektorats geben lassen. Zum Glück war der Rektor noch im Büro.«
»Bravo, hätte ich gar nicht dran gedacht«, sage ich zu ihnen. Gemeinsam bücken wir uns unter dem Absperrungsband hindurch.
Am oberen Treppenende geht linkerhand eine schmale Gasse ab, auf der zwei parkende Autos zu sehen sind. Das Opfer liegt bäuchlings neben einem schwarzen Alfa Romeo mit halbgeöffneter Fahrertür. Es ist ein dunkelhaariger Mann um die sechzig, sein offener Trenchcoat wirkt wie über seinen Körper gebreitet. Der Mörder muss ihn aus nächster
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