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Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)

Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)

Titel: Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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die Leitung der Lehrmittelstellen. Natürlich gibt es Reibereien, Differenzen und Konkurrenzdenken unter den Dozenten. Doch ich kann Ihnen versichern, dass es in all den Jahren, in denen ich hier tätig war, niemals zu Handgreiflichkeiten, geschweige denn zu mörderischen Auseinandersetzungen gekommen ist. Der Mord an Theologis kann also keinem solchen Konflikt geschuldet sein.«
    »Gehörte Professor Theologis zur sogenannten Generation Polytechnikum?«
    »Absolut, er hat sich auch aktiv am Aufstand gegen die Junta beteiligt. Wenn ich mich recht erinnere, arbeitete er damals an seinem Diplom. Durch den Aufstand hat sich sein Studienabschluss verzögert, aber nach dem Fall der Junta hat er ihn sofort nachgeholt und seine Doktorarbeit verfasst.«
    »Hat er Familie?«
    »Ja sicher, er ist verheiratet und hat eine Tochter.«
    Mein Repertoire an Fragen ist erschöpft. Ich verabschiede mich von ihm und kehre an den Tatort zurück.
    In der Zwischenzeit ist Stavropoulos eingetroffen und beugt sich über den Toten. Als er den Kopf hebt, fällt sein Blick auf mich.
    »Da sind ja kaum noch Fragen offen«, sagt er.
    »Was den Mord betrifft, nicht. Mich interessiert nur noch die Tatzeit. Wenigstens ungefähr.«
    »Er kann nicht mehr als drei Stunden tot sein. Die Totenstarre hat gerade erst eingesetzt.«
    Das bedeutet, dass der Polizeinotruf unmittelbar nach seiner Ermordung gewählt wurde.
    »Wenn Sie ihn durchsuchen wollen, dann bitte jetzt, damit ich ihn abtransportieren kann. Ich habe nicht vor, hier Wurzeln zu schlagen«, meint Stavropoulos grantig.
    »Niemand hat einen Schuss gehört«, berichten Papadakis und Dermitsakis, die von ihrer spontanen Befragung vor Ort zurückkehren.
    Wenn in dieser Einöde hier tatsächlich kein Schuss zu hören war, dann hatte der Täter der Waffe einen Schalldämpfer aufgesetzt. Diese These behalte ich bis auf weiteres im Hinterkopf.
    Diesmal möchte ich das Opfer lieber selbst untersuchen. Doch ich komme gar nicht dazu, denn die Botschaft des Prepaid-Handys ertönt aus der Manteltasche, bevor ich den Toten überhaupt angefasst habe.
    »Hier Polytechnikum. Hier Polytechnikum. Hier spricht der Radiosender der freien und kämpfenden Studenten, der freien und kämpfenden Griechen.« Dann folgt eine Pause, bevor eine Stimme fortfährt: »Brot, Bildung, Freiheit! Nur Bildung haben wir keine.«
    Ich versuche mich zu erinnern, ob die Stimme dieselbe ist wie bei Demertsis. Doch ich kann mir keine Meinung bilden, denn kaum ist die Botschaft verklungen, erhebt sich ein Tuscheln und Raunen unter den Zaungästen, und im Anschluss erklingt sogar Beifall.
    »Genau!«, schreit eine Stimme. »Was wir brauchen, ist ein neuer Aufstand am Polytechnikum!«
    »Ioannidis’ Junta lebt!«, ruft ein anderer.
    »Heute ist die Troika die Junta«, mischt sich eine Frauenstimme ein.
    »Nieder mit der Sparpakt-Junta!«, skandieren ein paar im Takt.
    Plötzlich schießt mir der Gedanke durch den Kopf, der Anrufer könnte sich in der Menge befinden. Wo wäre er sicherer? Obwohl wesentlich wahrscheinlicher ist, dass er die Nummer gewählt hat und danach einfach davonspaziert ist.
    Am liebsten würde ich die Zuschauer filzen lassen, um sicherzugehen, dass er mir nicht durch die Lappen geht. Ich zähle die Beamten, die ich zur Verfügung habe. Es sind, alles in allem, acht. Wenn ich die versammelte Menschenmenge mit acht Mann einer Leibesvisitation unterziehen möchte, bricht hier das Chaos aus, und mittendrin liegt der wehrlose Tote. Zwar könnte ich Verstärkung holen, aber bis die eintrifft, haben sich alle aus dem Staub gemacht, Tatgehilfe inklusive. Und der Mörder selbst ist sowieso schon längst über alle Berge.
    Noch einmal lasse ich meinen Blick rundherum schweifen. Der Campus ist weitläufig und schlecht beleuchtet. Ein Komplex befindet sich etwas weiter entfernt, ein kleinerer Bau auf der anderen Straßenseite, daneben die Kirche. Der Anrufer könnte sich in einem der umliegenden Gebäude aufhalten und uns jetzt bequem beobachten. Oder er hat den Schauplatz in aller Seelenruhe verlassen, sobald er sicher war, dass die Botschaft angekommen war. Besser, ich schicke morgen meine Assistenten los, um systematisch und mit kühlem Kopf vorzugehen.
    Die Sanitäter transportieren den Toten zum Krankenwagen. Zusammen mit ihm verlassen auch die Zaungäste den Tatort. Gerade will ich dem Rektor mitteilen, dass ich ihn nicht mehr brauche, als Dimitriou mit einem Lächeln auf den Lippen auf mich zukommt.
    »Wir haben die

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