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Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)

Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)

Titel: Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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keine geschäftliche oder andere Beziehung zwischen den Beteiligten feststellen, ist das Polytechnikum der einzige Anhaltspunkt.«
    Das stimmt, sage ich mir. Unser Mann wählt bisher keine namenlosen Opfer aus, ist also kein Triebtäter. Es trifft genau diejenigen, die sich an der Besetzung des Polytechnikums beteiligt haben. Wenn Koulas Gedankengang zutrifft, macht das die Ergreifung des Mörders nicht leichter. Aber wenn wir nach jemandem suchen müssen, der sich nach vierzig Jahren an den Besetzern des Polytechnikums rächen will, kommt das einer Suche nach einer – nach so langer Zeit sicher verrosteten – Stecknadel im Heuhaufen gleich.
    Theologis wohnte in einem renovierten zweistöckigen Haus aus dem vorigen Jahrhundert, wie man sie überall im alten Athener Zentrum zwischen Theseustempel und Akropolis finden kann.
    Eine Asiatin öffnet uns die Tür.
    »Treten Sie ein, Madame erwartet Sie schon«, sagt sie, nachdem wir uns vorgestellt haben.
    Sie führt uns ins Wohnzimmer im Erdgeschoss und fragt, ob wir etwas trinken möchten. Als wir dankend ablehnen, verschwindet sie. Das Wohnzimmer ist klein, so wie alle Räume in diesen alten Häusern. Es passt gerade mal eine kleine Sitzgruppe mit Sofa und zwei Sesseln und gegenüber ein Fernsehgerät hinein. Hinter dem Fernseher stehen zwei halbhohe Bücherregale voll mit Vasen, Obstschalen und antiken Statuetten.
    Fünf Minuten später erscheint in der Wohnzimmertür Madame Christine Lagarde: dieselbe Haarfarbe, dieselbe Frisur, dieselbe Nase. Nur, dass ihre griechische Ausgabe schwarz gekleidet ist und Trauermiene trägt.
    »Es tut mir sehr leid, dass wir Sie befragen müssen«, sage ich, nachdem wir uns vorgestellt haben. »Aber wir müssen dringend bestimmte Punkte klären, um in den Ermittlungen voranzukommen.«
    »Kein Thema«, entgegnet sie gefasst und mit fester Stimme. »Es ist auch mein Wunsch, dass Nikos’ Mörder so schnell wie möglich gefasst wird.«
    »Ihr Ehemann ist auf dieselbe Weise ums Leben gekommen wie vor ein paar Tagen der Bauunternehmer Jerassimos Demertsis. Die Polizei wurde genauso zum Tatort gerufen, die bei den Opfern hinterlassene Botschaft ist nahezu deckungsgleich, und wir können davon ausgehen, dass dieselbe Waffe zum Einsatz kam. Wissen Sie vielleicht, ob Ihr Mann Jerassimos Demertsis kannte?«
    »Nein, sie kannten sich nicht.«
    »Ich frage deshalb, weil beide der Generation Polytechnikum angehörten und beide an der Besetzung der Hochschule teilgenommen haben.«
    »Wissen Sie, ich bin auch Juristin, und mein Mann und ich hatten zusammen eine Kanzlei. Er übernahm die Straf-, ich die Zivilprozesse. Ich kann Ihnen versichern, dass Demertsis keiner unserer Mandanten war und dass wir ihn auch nicht persönlich kannten. Abgesehen davon macht es für mich auch keinen Sinn, dass jemand Menschen tötet, die in ihrer Jugend gegen die Junta gekämpft haben. Wo doch die einen schon in den Folterkellern für ihren politischen Kampf bezahlt haben und die anderen ihr Studium opfern und – wie mein Mann – in den Untergrund gehen mussten.«
    Ihre Antworten sind klar und durchdacht, und ihre Verwunderung ist nachvollziehbar.
    Ich versuche nochmals woanders anzusetzen. »Wissen Sie, ob Ihr Mann auch gewaltbereite Mandanten übernommen hat? Angelegenheiten, in denen es beispielsweise um Schwarzgeld ging oder um Geldwäsche?«
    Sie blickt mich kurz nachdenklich an. »Als Jurist, Herr Kommissar, würden Sie wissen, dass Rechtsanwälte, die sich mit Schwarzgeld oder Geldwäsche befassen, in der Szene bekannt sind«, meint sie schließlich. »Derartige Mandanten werden direkt an diese Kollegen weiterempfohlen.«
    »Ich hoffe, Sie nehmen mir meine Fragen nicht übel«, sage ich höflich. »Wir tappen noch im Dunkeln und versuchen, Anhaltspunkte zu finden. Daher ermitteln wir in alle möglichen Richtungen.«
    »Nein, keineswegs«, erwidert sie ruhig. »Mir geht es ja auch nicht anders. Mir ist unbegreiflich, wer einen Grund oder ein Interesse gehabt haben könnte, Nikos zu töten.«
    Ich habe nur noch eine Frage: »Wissen Sie vielleicht, ob Ihre Tochter aus dem Ausland zurückgekehrt ist und wo ich sie finden kann? Ich würde gern auch mit ihr sprechen.«
    »Ich wusste gar nicht, dass sie im Ausland ist«, antwortet sie, als wäre das nichts Ungewöhnliches. »Meine Tochter will nichts mehr mit uns zu tun haben, Herr Kommissar. Ab und zu ruft sie im Sekretariat der Kanzlei an, um zu sagen, dass es ihr gutgeht. Das ist der einzige Kontakt, den sie noch

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